Pete Frame – The Restless Generation
„The Restless Generation“ (Rogan House, ca. 30 Euro) von Pete Frame ist ein so großartiges wie wichtiges Buch. Keines dieser literarischen Sprachwunder, in dem schöne Sätze mit anderen schönen Sätzen kopulieren und wiederum makellose Sätzchen gebären. Frame, früher Redakteur des legendären Fanzines „Zigzag“ und berühmt geworden für seine akribischen, „Family Trees“ genannten Kalligrafien zur Fluktuation von Bandbesetzungen, pflegt einen eher journalistischen Stil. Durchaus gewandt, farbig und humorig, jedoch stets mit Bodenhaftung und ganz im Dienste historischer Genauigkeit. „How Rock Music Changed The Face Of 1950s Britain“ untertreibt der Untertitel, denn was der Einbruch amerikanischer Teen-Kultur in den tristen Alltag Britanniens nach dem Krieg bewirkte, ist mit „Wandel“ nur unzureichend umschrieben. Englands Jugend war ihrer Kindheit beraubt worden, halbe Stadtbezirke lagen in Ruinen, Lebensmittel waren rationiert, als die Kunde von einer Kulturrevolution im fernen Amerika die Runde machte. Seeleute hatten Anschauungsmaterial mitgebracht, auf Papier und auf Schallplatten. Musik wie von einem anderen Stern. Die Nachtclubs und Coffee Bars von Soho wurden zum Treffpunkt unruhiger Teenager-Horden, anstelle von betulichen Tanzorchestern spielten nun zum Skiffle bekehrte Jazz-Bands. Eine Szene entstand, die sich dem Anpassungsdruck der Erwachsenenwelt widersetzte. Als im Oktober 1955 das gewerkschaftlich motivierte, auf Gegenseitigkeit beruhende Auftrittsverbot amerikanischer Acts aufgehoben wurde und erstmals seit 1935 wieder US-Bands gebucht werden durften, brachen die letzten Dämme.
Mambo und Calypso eroberten kurzzeitig die Tanzschuppen, dann sorgten Bill Haley und seine Comets für handfeste Tumulte, an Elvis schieden sich nicht nur die Geister. Für oder gegen ihn zu sein wurde zum Lackmustest kultureller Identität, entfremdete Freunde, trennte Familien. Britische Gruppen, die sich an Rock’n’Roll versuchten, erfreuten sich regen Zulaufs, doch fehlte es den einheimischen Plattenproduktionen an Wildheit, Raffinesse und Stil. Die frühen Singles von Tommy Steele, Tony Crombie und Terry Dene klangen flott, doch waren sie zu harmlos, taten keinem weh. Das änderte sich im Sommer ’58 mit dem ungehörigen Imperativ eines 17-jährigen Elvis-Epigonen namens Cliff Richard: „Move It!“. Das erste genuine Rock’n’Roll-Statement britischer Provenienz, eine Flipside eigentlich nur. aber mit Durchschlagskraft. Die Medien hetzten, selbst die Musikpresse zeigte sich entsetzt. „Obscene“ und „vulgär“ urteilte der „Melody Maker“, der „NME“ geißelte einen Fernsehauftritt als „the most crude exhibitionism ever seen on British TV“. Der Rock’n’Roll hatte eine Dependance in England eröffnet, fünf Jahre vor Beatlemania. Read all about it.