Philadelphia International Records :: The 40th Anniversary Box Set

Die Geschichte des legendären 70er-Soul-Labels in 175 Songs

Die Ostküsten-Metropole Philadelphia war für die amerikanische Popkultur lange Zeit ein Nichts. Weder ursprüngliche Szenen noch die Medienindustrie hatten hier ihre Heimat. Eine Stadt ohne Eigenschaften. Genau der richtige Ort für das Produzentenduo Kenny Gamble und Leon Huff, das von Anfang an in großen Dimensionen dachte. Ähnlich wie zehn Jahre zuvor ihr großes Vorbild Motown aus Detroit, setzten die beiden auf das Manufaktur-Prinzip, bei dem sich das Künstler-Ego gefälligst der großen Linie unterzuordnen hatte. Systemmusik sozusagen.

Die Idee von Philadelphia International (PIR) hieß „Philly Sound“, eine symphonische Soulmusik mit Weltgeist, die anfangs durch das hauseigene Orchester M.F.S.B. definiert wurde. Der 1972 geschlossene Vertriebsdeal mit dem damaligen CBS-Sublabel Columbia ermöglichte es, die Rassen- und Klassengrenzen nicht nur der amerikanischen Hörerschaft zu überwinden. „Wir mussten erst mal lernen, wie dieses System funktioniert“, erinnert sich Kenny Gamble zum 40. Jubiläum.

Mit „Backstabbers“ von den O’Jays hatte PIR einen Traumstart, The Jacksons spielten „Show You The Way To Go“ ein, und Billy Paul oder später Teddy Pendergrass übernahmen die gedämpfte Schlafzimmer-Abteilung. Während anderswo Sly Stone oder James Brown die Soulmusik zum synkopenreichen Funk überführten, regierte bei PIR der durchgehende Beat. Und während viele Soullabels am Phänomen Disco scheiterten, legte PIR Ende der Siebziger erst richtig los: Es entstanden Dancefloor-Klassiker wie „Ain’t No Stopping Us Now“ vom Songschreiber-Team McFadden & Whitehead oder auch Dexter Wansels psychedelisches „Life On Mars“. Kritiker wie Nelson George warfen dem Label eine „Weißwaschung“ der schwarzen Musik vor – doch ein gutes Jahrzehnt lang hinterließ der optimistische Geist von PIR massive Spuren im Pop-Mainstream. Die 175 Songs dieser Box künden davon. Als Disco sich dann in den schwulen Underground verabschiedete, war das Philly-Prinzip ausgereizt. (Harmless/Demon) Ralf Niemczyk

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