Philip Selway :: Familial

Der Radiohead-Schlagzeuger reüssiert als feiner Songschreiber

Schrecksekunde für jede Band: Der Schlagzeuger betritt den Proberaum und sagt: „Ich habe da diesen Song geschrieben …“ Philip Selway dagegen, der personifizierte Hintergrund von Radiohead und laut „Gigwise“ sechsundzwanzigbester Drummer aller Zeiten, tut einfach so, als hätte er sich die letzten 24 Jahre als Songwriter verdingt – und als hätten Midlake und die Fleet Foxes nur darauf gewartet, ihn bei Bella Union als neuen Labelkameraden zu begrüßen. Diesen Eindruck vermittelt zumindest sein allererstes Soloalbum, auf dem – Überraschung! – die Akustikgitarre im Vordergrund steht und das uns unverschämt erhaben und wohltemperiert entgegentritt.

Ob nun der Gesang von Selway, der Thom Yorke in keinster Weise nacheifert, oder der Einsatz eines Bläserquartetts am Ende von „A Simple Life“ – alles an „Familial“ ist sanft, samtig, dezent. So spart man sich das „Durch-mehrere-Schichten-arbeiten“, das man bei seinem Arbeitgeber braucht, um die Schönheit der Songs in ihrer Gänze zu erfassen. Auch in den Texten wird nicht an Grenzen gekratzt: Unaufgeregt geht es um Selbstfindung und Familiengründung, den Kreis von „Take me out into the night“ bis zu „Those I love will carry me home“. Neil Finn (Crowded House) diente Selway als Katalysator für seine Soloabsichten – sein Projekt 7 Worlds Collide befügelte ja bereits Jeff Tweedy und Wilco zu ihrem letzten Meisterwerk.

Selway fand dabei nach Radiohead und dem Quartett, das sein Eigenheim bewohnt, noch eine dritte Familie: Sängerin Lisa Germano, Bassist Sebastian Steinberg (Ex-Soul Coughing) und er helfen sich seitdem gegenseitig bei ihren musikalischen Aktionen. Die Entwicklung Selways als Songschreiber zeigt das noch melodienarme „The Ties That Bind Us“: Gefällt dieser Track allein durch seinen spröden Charme, so sind die restlichen Songs wie das weiche Sprudeln einer Heilquelle. Das letzte Stück Musik, bevor das Licht gelöscht wird. Peace for the very first time. (Bella Union/cooperative) Frank Lähnemann

Josh Ritter+++

So Runs The World Away

Zwischen leichtherzig und verzweifelt: Josh Ritters neue Welt

Wer wünschte sich nicht ein letztes Abenteuer, das in unbekannte Sphären führt? Und bestünde es darin, einer zum Leben erwachten Mumie in die Augen zu schauen oder gar nachts mit ihr in einem Museum zu wandeln, wenn alle anderen schlafen. Josh Ritter umsegelt – zumindest motivisch – auf seinem fünften Album den Globus. Er bereist den Südpazifik und bricht zu neuen Welten auf. Die Welt ist eine Scheibe, dahinter lauert der Abgrund.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates