Polarkreis 18 :: Frei
Die Dresdner nutzen ihre Freiheit nur für anbiedernden Pathos-Pop
Die Dresdener sind nicht umsonst so etwas wie eine Vorzeigeband der deutschen Musiklandschaft. Kommerziell überaus erfolgreich (ihr letztes Album „The Colour Of Snow“ erreichte Platinstatus), früh gefördert (durch den F6 Music Award, bei dem sie 2006 den zweiten Platz belegten), ihrer Heimatstadt zutiefst verbunden („Frei“ wurde im eigenen Studio in Dresden aufgenommen) und in frühen Jahren unermüdlich auf Tour unterwegs, wo sie im Indie-Club, auf dem Kleinstfestival oder nach dem Hit „Allein Allein“ auch auf großen Bühnen immer mit gleich hohem Engagement ihre pathosbetriebene Show ablieferten. Man will ihnen also nichts Schlechtes.
Aber was Polarkreis 18 jetzt mit ihrem „bisher reifsten Werk“ (Eigenaussage) abliefern, klingt so überhaupt nicht nach der kreativen Freiheit, die sie sich angeblich geleistet haben. Vom ersten Ton an ist man offensichtlich entschlossen, das Erfolgsprinzip des eigenen Hits zu Tode zu reiten. Deutsche Lyrikfetzen, angeblich thematisch wie das ganze Album von Schuberts „Winterreise“ inspiriert, treffen auf bisweilen peinliches Pennälerenglisch, Pathos trifft auf Pop, Orchesterbombast auf die 80er-Jahre-Kühle eines Fairlight CMI-Synthesizers.
Gleich der Titelsong, der das Album eröffnet, will „Allein Allein“ mit geballter Faust sein, lässt die Geigen schwellen, die Retrokeyboards bleepen, den Chor erklingen: „Frei! Frei!“ Kurz darauf singt Felix Räuber mit seiner eigentümlich hohen Stimme: „I have tried the best to free my mind. I freed myself … ohoho … ich bin frei.“ Ein Hit, keine Frage, aber doch ein anbiedernder, ein offensichtlicher. „Wenn das kein Erfolg wird“, so die Band selbst über „Frei“, „liegt es nicht an uns.“ Eben. Ähnlich atmosphärisch wie einst bei „Stellaris“ oder „Dreamdancer“ sind sie heute nur noch im geradezu leisetretenden „Small Space Between“, einer sehnsüchtigen Ballade, die Arrangeur und Produzent Sven Helbig auf sanften Orchesterseegang bettet.
„Frei“ wird der kommerzielle Erfolg werden, der es sein will, wird am Ende gar die zahlreichen Unheilig-Fans in ihrer Sehnsucht nach Holzhammerromantik und Deutschdusellyrik abholen. Künstlerisch betrachtet ist es jedoch nur ein mit großem Ehrgeiz, aber kaltem Herz produziertes, perfektes Album, das seinen Titel wie Hohn erscheinen lässt. (universal) Daniel Koch