Print-Pop von Frank Schäfer
„Peacoks Manifest“
(Eichborn, 19,90Euro) von Stuart David, dem Belle & Sebastian-Mitbegründer, erzählt den langen Weg des schottischen Parzifals Peacock quer durch die Staaten. Der ist ein eitler Country-Stutzer, entsprechend großmäulig und hemdsärmelig – und sein Gral eine fixe Idee: nämlich Glen Campbells Schmalzstulle „Rhinestone Cowboy“ in eine bretternde Techno-Nummer umzugießen und damit eine Menge Geld zu verdienen. Mit von der Partie sind der kleinwüchsige Kleinkriminelle Evil Bob und Peacocks Frau Bev, die ihm hinterher reist, weil sie sich ein Schauspielkarriere in L.A. erträumt. Die gelegentlich hübsch lakonische Komik des Buchs entzündet sich zumeist in den Dialogen dieser drei Charakterköpfe („Vor achtzehn Stunden bin ich von zuhause weg. Und dann hatte der dämliche Flieger drei Stunden Verspätung. Seid ihr schon lange da?“ ,“Aye“, sagte ich, „drei Stunden.“), aber vieles ist auch abgeschmackt. Dass Peacock seine Freunde in der Heimat ständig aus den Federn holt, weil es nun mal eine Zeitverschiebung zwischen den USA und Schottland gibt, will als running gag nicht so richtig überzeugen. Und auch aus dem Kulturschock des Schotten hätte man mehr machen können. Der quadratschädelige Rabaukenton des Ich-Erzählers allerdings liest sich ganz gut weg. 2,5
„The Cocka Hola Company“
(Blumenbar, 24 Euro)von Matias Faldbakken. In Oslo treibt ein ziemlich obskurer Verein namens „Desirevolution“ sein Unwesen. Man dreht Pornos, die aber vor allem der Subsistenzsicherung eines Haufens Dada- und Konzeptkünstler dienen. Zum Beispiel Speedo, der sich in einem „Zwangsalkoholikervertrag“ verpflichtet, sich auf Kosten der Firma totzusaufen. Oder Rittmeester, der Porno-Theoretiker, der ein „Isolationsprojekt“ laufen hat, das heißt, seine Wohnung nicht mehr verlässt. Tätigstes Mitglied und zugleich das Gehirn des Betriebs ist der Anarcho-Ideologe Simpel: Eine „Antimoral-Dampfwalze“, die seine Wut auf alles und jeden nicht mal mit den täglichen vier Milligramm Sedativum im Zaum halten kann.
Entspannung bieten ihm nur die gelegentlichen „Interventionen“ gegen die bürgerliche Konsens-Gesellschaft, blödsinnige und oft genug gewalttätige Angriffe auf den norwegischen Normalbürger.
Schließlich fliegt das verbrecherische Syndikat auf. Simpel geht in die Offensive, nämlich ins Fernsehen und berichtet in einer Talk-Show von seinen subversiven Aktionen – und da geschieht dann das Schlimmste, was einem Renegaten wie ihm überhaupt widerfahren kann: Das Publikum applaudiert. Mit dieser hübschen dialektischen Wendung bringt Faldbakken sein Thema zum Schluss noch einmal auf den Punkt: Jede künstlerische Avantgarde oder Subkultur ist gezwungen, in einem permanenten Widerspruch zu leben. Man braucht Öffentlichkeit, um zu wirken, ist aber nur dann wirklich vor Inkorporation gefeit, wenn man sich ihr total verweigert. Tragisch, das Ganze. 3,5
„Küsse aus New York“
(2001, 24,90 Euro) dokumentiert Art Spiegelmans zehnjährige Arbeit für den „New Yorker“, versammelt mithin die Comics, Illustrationen und Cover-Zeichnungen, die er für das traditionsreiche Magazin entworfen hat. Leider nicht seine Essays und Comic-Kritiken, die man auch ganz gern gelesen hätte, denn schreiben kann der Mann durchaus, wie der mitlaufende Kommentartext zeigt, der aufrichtig und abgewogen seine Probleme als Bilderstürmer und Provokationstalent mit dieser stockkonservativen Institution schildert. Er wurde zwar engagiert, um die bildungsbürgerliche Leserschaft ein wenig zu reizen und vor allem, um die Zeitschrift anderen Leserschichten zu öffnen, aber mit dieser Empörungs-Tsunami schien dann doch wohl keiner gerechnet zu haben.
Als er auf die Straßenschlachten zwischen Juden und Schwarzen im Brooklyn mit einem Titelbild reagiert, das einen chassidischen Juden in inniger Umarmung mit einer Schwarzen zeigt, muss der „New Yorker“ Aushilfskräfte einstellen, um die viele Empörungsbriefe zu bearbeiten und dazu noch ein paar Wachleute mehr! Als er nach Übergriffen der New Yorker Polizei einen gutmütigen 50er-Jahre-Comic Cop an einer Schießbude auf Silhouetten von Passanten schießen lässt, demonstrieren „hundertfünfzig nicht diensttuende, aber bewaffnete Polizisten“ vor dem Redaktionsgebäude.
Fast noch schöner sind aber die vielen Skizzen, Entwürfe oder dann an andere Zeitschriften vertickten fertigen Bilder, die der Redaktion zu heiß waren. Nach solchen Enttäuschungen malt er meistens Schneemänner beim Folgeauftrag: „Sie sind ausgesprochen einfach zu zeichnen.“ Oder er beschimpft öffentlich seine Chefin Tina Brown: „Sie ist die schwierigste und launischste Chefredakteurin, die ich je hatte, und ich habe in der Undergroundpresse mit echten Koksnasen zusammengearbeitet.“ Es spricht dann allerdings auch für die Toleranz des Magazins, dass er nach einem solchen Eklat trotzdem noch weiterzeichnen darf. Dass Spiegelmans erste Begabung dann doch die Bildgeschichte bleibt, zeigen die wenigen ans Ende gesetzten Strips: die ebenso kenntnisreiche wie artistisch kongeniale Hommage an den „Peanuts“-Erfinder Charles Schulz etwa, oder der Nekrolog für den „Mad“-Man Harvey Kurtzman, den er in einem gezeichneten Seminar-Vortrag würdigt. Das sind schöne, sehr lehrreiche Meta-Comics, die seine grafische Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen. 3,5