Print-Pop von Frank Schäfer
„DerSanitäter“ (Peter Engstier, 10Euro),herausgegeben von Florian Vetsch, ist ein Themenheft zum 1997 verstorbenen Beat-Patriarchen Allen Ginsberg. Eine literarische Trauerfeier aus Gedichten, Briefen, Nachrufen, Reminiszenzen etc., stilistisch und auch qualitativ sehr heterogen, aber insgesamt allemal gelungen. Denn hier kann man Ginsberg noch einmal in seiner ganzen Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit begegnen: dem großen Strippenzieher, politischen Agitator, Naturschützer, dem schwulen Aktivisten und Liebhaber, der guten Seele mit dem „great gift for friendship“ (Marianne Faithful), dem etwas frömmlerischen Buddhisten, dem warmherzigen Lehrer – und nicht zuletzt dem Lyriker sui generis. „Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom Wahnsinn, ausgemergelt hysterisch nackt…“ Ebenl Sein Einfluss auf die Literatur und Rockmusik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist noch gar nicht vermessen, hier bekommt man schon mal einen guten Eindruck. 3,0
„Memomat“ (Blumenbar, 18 Euro),von FX Karl ist ein doppeltes Debüt, vom Verlag und vom Autor. Während dem Lektorat noch ein paar Hurenkinder durch die Lappen gegangen sind, zeigt der Autor sich beeindruckend professionell, mitunter vielleicht etwas bildungsbeflissen, aber das kann man ja auch positiv werten: Er weiß eben was, hat seinen Kleist, Bernhard, Josef Winkler intus! FX Karls Erzähler sitzt in seinem Büro, lässt einen rätselhaften, sich vermutlich von Kafka herschreibenden Sekretär für sich arbeiten und sinnt der Vergangenheit nach, vor allem seiner großen Liebe Vera, der er eigens nach Paris nachreist und mit der er dann auch diegerade frisch eingemeindete Ex-DDR abfährt, bis die beiden ihre Liebe im ständigen Streit zerfetzen. Der Text springt hin und her zwischen den beiden Zeitebenen, der Erzählerwirklichkeit und seinen Erinnerungen, und so entsteht eine Art Patchwork aus Tagebuch, Reise-Reportage, arg melancholischer Liebesgeschichte und streckenweise ganz luzidem Essay zur deutsch-deutschen Vereinigung. Augenscheinlich war das wieder mal zu avanciert für die großen Publikumsverlage, von denen leider keiner anbiss – gut, dass es da immer noch die kleinen, feinen Liebhaberklitschen gibt. 3,0
„Im Land der Liebe“ (Maro, 14 Euro) von Gilbert Sorrentino ist zuallererst eine kleine buchkünstlerische Preziose dank der wunderhübschen und kongenialen Illustrationen von Anna Sommer. Aber auch eine erzählerische. Man kann den Text an einem halben Nachmittag gelesen haben – und dann fängt der Spaß eigentlich erst an. Sorrentino liefert hier ein kurweiliges, dabei hochartifizielles Vexierspiel, eine Variation auf das schon in seinem Opus magnum „Mulligan Stew“ durchgespielte Thema vom Eigenleben des Kunstwerks. Der Ich-Erzähler, ein Schriftsteller, versucht noch ein letztes Mal die so oft gescheiterte Geschichte von dem Scheitern seiner Ehe zu erzählen, und wieder scheint es ihm nicht recht zu gelingen, verwandelt sich die Realität unter seiner schreibenden Hand, entsteht etwas anderes, eine Story, die sich genau darum dreht, wie sich die Realität bei genauer Betrachtung geheimnisvoll verwandelt: seine Frau, das sanfte Wesen, in einen erotomanen Wechselbalg; ein Freund, mit dem die Frau ihn betrügt, in den Erzähler selbst. Klingt alles nach boring Ästhetizismus à la Suhrkamp, ist aber eindeutig Maro! Moderat Pornografisches inbegriffen. 4,0
„Irgendwie alles Sex“ (Kiepenheuer& Witsch, 8,90Euro) und „Partisanen der Schönheit“ (Oktober, 14 Euro) von Matthias Altenburg muss man zusammen betrachten, weil sie dessen Kurzgeschichten, Feuilletons, Kritiken, Kolumnen und Glossen der letzten Jahre kompilieren, also das, was die unter einem Roman kaum noch etwas gelten lassende Literaturkritik gern als Gelegenheits- oder Brotarbeiten abtut. Schmarrn ist das. Als ob sich in der kleinen Prosa das Talent eines Autors nicht offenbaren könnte – vielleicht zeigt es sich hier viel deutlicher! Dass Altenburg ein guter Stilist ist mit einer anmutigen, schlichten, aber nicht zu glatten Diktion, kann man jedenfalls auch aus diesen Texten lernen. Gelegentlich ärgert man sich etwas über die herausfordernde Haltung, dieses Breitbeinige, ständig das Kinn Hebende, und auch über den Mangel an Ironie. Aber da sind auch noch diese liebevollen Elogen, etwa auf seinen literarischen Patenonkel Herrmann Peter Piwitt, auf Uwe Timm, Sybille Berg, Feridun Zaimoglu, und nicht zuletzt die bluesigen, aber herzerwärmenden autobiografschen Stories. Beide: 3,0