Print Pop :: von Frank Schäfer

„Wenn man einen weißen Anzug anhat. Ein Tagebuch-Buch“ (Rowohlt, 16.90 Euro) von Max Goldt ist im Grunde ein „Benimmbuch“, wie die „Süddeutsche“ hübsch bemerkt hat, was man von seinen vorangegangenen Aufsatzbänden aber im Grunde auch sagen könnte. Goldt gibt Ratschläge, und wie das so ist, wenn einer auf Buchlänge alles besser zu wissen glaubt und vielleicht ja auch wirklich weiß: Man schnappt leicht ein – vor allem, wenn man sich gelegentlich der Gruppe zugehörig fühlt, die sich einmal mehr eines aberwitzigen Stilverbrechens schuldig gemacht hat. Aber er federt die Kritik dann ja doch immer wieder charmant ironisch ab.

Man muss das in letzter Zeit öfter gehörte Gerede, Goldt sei so nachdenklich geworden, also nicht glauben. Diese neuen Texte sind immer noch originär komisch, man könnte fast sagen humoristisch, doch muss man sich den Begriff mit einer ironischen Aura denken, denn dieses arabesk Rokokohafte, manchmal auch betulich Bourgoise, ja, Thomas-Mann-Verdächtige wird ja immer wieder spielerisch durchbrochen. Aber, und das ist vielleicht wirklich der Tagebuchform geschuldet, er gibt sich hier auch gelegentlich ganz dem Alltag hin. Die Herzlichkeit und freundliche Toleranz, mit der er zum Beispiel die Elektriker schildert, die ihm nach einem Umzug in nur fünf Stunden die Lampen aufhängen, oder zuvor die professionellen Umzugshelfer, das ist von schlichter, schöner Poesie. 4,0

„Angela Davis löscht ihre Website. Listen, Refrains, Abbildungen“ (Suhrkamp, 8 Euro) von Andreas Neumeister ist eine Collage zwischen Pop und Dichtungstheorie, ein sprachexperimenteller Selbsterklärungsversuch, Die hier versammelten Wortspäne denn es sind fast bloß Fragmente, kurze Satzfetzen, Slogans, zumeist sprachliche reac/y mades – formieren sich um einen Magnetkern; Wenn Realität nur medial vermittelt existiert, als bloße Abbildung, wie ist dann zu entscheiden, ob das, was da vermittelt wird, ursprünglich Realität oder Fiktion, also wahr oder falsch war? Gar nicht. Im Modus der Virtualität „besteht die wirkliche Welt aus wirklichen Bildpunkten auf wirklichen Bildschirmen in wirklichen Räumen“. Mit anderen Worten, es ist egal, denn mediatisiert ist es jetzt ja ohnehin. Neumeisters Konsequenz daraus ist radikale Skepsis, das Denken und Schreiben in Gegensätzen und Widersprüchen, eine aus der Erkenntnisnot geborene Indifferenz dem Wort- und Weltmaterial gegenüber, die nur noch die Collage als Form zulässt.

Neumeisters Avantgarde-Konzept ist konsequent durchgeschrieben, aber wirklich satt will man aus diesem Sprachmüsli nicht werden. Selbstredend liegt auch das in der Natur der poetologischen Sache, entschuldigt aber nichts. Man kann es nämlich auch anders sehen: Wenn ohnehin alles eine „Vortäuschung falscher Tatsachen“ ist, dann hat die wenigstens literarisch suggestiv zu sein. Muss ja nicht stimmen! 1,5

„Der Tag, an dem ich allen Glück wünschte. Westerngedichte“ (Kunstmann, 16,90 Euro) von Franz Dobler beginnt ebenfalls mit einer Poetik: „Ich kann kein Blut sehen… Ich könnte dem Teufel seiner Großmutter nicht das Kissen unter’m Arsch wegziehen, ohne dass sie es merkt. Aber ich würde ihr die Hand schütteln. Und sie würde zu mir sagen: ,Sei zufrieden damit, dass du schreiben kannst wie mein eigener Sohn.'“ Das ist zwar unbescheiden, stimmt aber. Und noch dazu – natürlich! – mit mehr Seele und vor allem Mitgefühl. Dobler hat für dieses Hörbuch den nun auch schon über zehn Jahre alten Band „Jesse James und andere Westerngedichte“ (Bommas Verlag) nebst ein paar artverwandten Poemen eingelesen und von Hubl Greiner mit einem feinen Ambient-Soundtrack verzieren lassen. „Spät-Western-Gedichte“ nennt er diese Texte im Booklet, und auch das hat seinen Sinn, weil sie nicht einem „Westwards, ho!“-Romantizismus huldigen, sondern den einschlägigen Populär-Mythen der Songs und vor allem Filme verpflichtet sind, also die mediale Verarbeitung bereits ironisch einkalkulieren. Und weil durch sie hindurch deutsche resp. bayerische Wirklichkeit scheint. Hier wird ja nicht weniger gelitten. Und Dobler muss immer wieder seufzen beim Lesen, weil ihn die Schicksale seiner Protagonisten auch nach so langer Zeit noch mitnehmen. 4,0

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