Promised Land :: Matt Damon, Rosemarie DeWitt, Frances McDormand
Regie: Gus Van Sant
Start: 20.6.
Gleich hinter den Metropolen beginnt das richtige Amerika. Felder, so weit das Auge reicht, gegen den Horizont zeichnen sich Getreidesilos und Traktoren ab. Pick-up-Trucks mit kernigen Typen in Flanellhemden hinter dem Steuer zieren die Straßenzüge der Provinznester entlang der Highways, und der einzige Hardwarestore im Ort wirbt mit „Guns, Groceries, Guitars, Gas“. Ein Kaff gleicht dem anderen. Das Unveränderliche dieser – im landwirtschaftlichen wie im politischen Sinne -Kulturlandschaft bezeichnet der Amerikaner als „Heartland“. Dieses Amerika ist in jeder Hinsicht konservativ. Wer nicht versteht, was es bedeutet, dass die USA in „blaue Staaten“ und „rote Staaten“ gespalten sind, muss nur mal das Soziotop der Metropolen verlassen.
Hier wird über Lokalpolitik noch in der Sporthalle abgestimmt. Oder in der einzigen Bar des Ortes, wo man als Auswärtiger die Leute schon für sich gewinnt, indem man zur Open- Mic-Nacht Bruce Springsteen singt. So sieht gelebte Basisdemokratie aus. Gus Van Sant streift mit „Promised Land“ unzählige Klischees über das „wahre“ Amerika, doch selbst wenn bei ihm jede zweite Einstellung auf den unauflöslichen Widerspruch von Stadt und (Hinter-)Land hinausläuft, sind seine Beobachtungen von einer Grundsympathie gezeichnet. Das gelobte Land, von dem der Titel des Films kündet und das man im alten Europa nur zu gerne mit den fundamentalistischen Spinnern der Tea Party assoziiert, hat hier eine sehr viel ursprünglichere Bedeutung. Hank Williams‘ frömmelnde Countryhymne „I Saw The Light“ hat im direkten Vergleich mit dem Arbeiterklasse-Schmiss eines Springsteen jedenfalls keine Chance. Da können sich die Städter noch so authentisch in schweren Wollhemden und Arbeitsstiefeln tarnen.
Aber Van Sant scheint vor allem an Woody Guthries „This Land Is Your Land“ zu denken: Das Land ist Ausdruck von Gemeinschaft und Nachhaltigkeit. Am Umgang mit den von der Natur gegebenen Ressourcen soll sich auch der Reifegrad einer Gesellschaft zeigen: ausgerechnet am Beispiel derer, die am gesellschaftlichen Leben ohnehin nur noch dank staatlicher Zuschüsse partizipieren. Mit seiner Ballade vom kleinen Mann liefert Van Sant eine klassische Americana-Erzählung ab – nur dass die schöne Folklore hier von einer Art Allstar-Grunge-Formation des amerikanischen Indiekinos performt wird. Steve (Matt Damon) und Sue (Frances McDormand) sind von einem globalen Energiekonzern nach Pennsylvania geschickt worden, um die Bewohner vom Verkauf ihrer Ländereien zu überzeugen. In den Gesteinsschichten unter dem Farmland lagern riesige Erdgasvorkommen, die die Unabhängigkeit der USA vom Öl aus dem Nahen Osten gewährleisten könnten. Und die Abgesandten des Big Business wissen, dass sie leichtes Spiel haben. „Ihr seid hier, weil wir arm sind“, hält ihnen ein Farmer entgegen. Aber das Land, um das es geht, ist mehr als eine Ressource. Es ist ein Kulturgut, das von Generation zu Generation weitergereicht wird. Van Sant weiß um das Dilemma, das der idyllischen Vorstellung dieses Amerika innewohnt.
Er lässt die Natur von innen heraus strahlen, doch der wirtschaftliche Niedergang ist in seinen Bildern bereits gegenwärtig. Damons Steve dient in „Promised Land“ als moralische Kippfigur -ein Junge vom Land, der mit ansehen musste, wie seine Familie ihre Lebensgrundlage verlor, als die Fabrik des Vaters dichtmachte. Jetzt wähnt er sich auf der Seite des Fortschritts, wenn er den Farmern und Fertighausbewohnern viel Geld für ihr Land bietet. Fuck you, Strukturwandel! „Fuck-you-Geld“, sagt Steve, „macht dich frei.“ Es ist nur eine Frage des Preises.
Van Sant ist um deutliche Botschaften nicht verlegen, aber an „Promised Land“ zeigt sich auch, dass das amerikanische Erzählkino seine moralische Deutungshoheit glänzend zu verkaufen versteht. Die Konflikte erschöpfen sich nie in bloßen Behauptungen, sie verweisen in vielen unscheinbaren Facetten immer wieder auf eine Wirklichkeit, die zu keiner Sekunde inszeniert anmutet. So gelingt es Van Sant mit leichter Hand, ein hoch aktuelles Umwelt-Statement sogar noch mit einer zarten Romanze zu verbinden, er macht sich über die Städter lustig – und am Ende hängt, rechtzeitig zur großen Schlussrede, eine amerikanische Flagge im Hintergrund. „Promised Land“ ist wertiges Hollywood-Kino. Frank Capra hätte es nicht besser gemacht.