Queen

Live At Wembley Stadium

Der perfekte Pomp

Es ist Juli 1986. Modisch gesehen ist alles erlaubt, man wird Freddie Mercury also nicht die quietschgelbe Jacke oder die Trainingshosen übel nehmen (und schon gar nicht das Finale mit Robe und Krone). An den Schnauzbart hat man sich gewöhnt, auch an die exaltierten Bewegungen und die dämlichen Mitsingscherzchen. Brian May lächelt wie immer versonnen und spielt die irrsten Riffs, Roger Taylor kann auch beim Trommeln singen, John Deacon ist einfach John Deacon. Queen auf dem Zenit, bei ihrer letzten Tournee, „Live At Wembley Stadium“ – die Bilder kommen einem so vertraut vor, dass man kaum noch ein Wunder erleben wird. Oder doch?

Zum 25-jährigen Jubiläum gibt es die beiden Wembley-Konzerte im Doppelpack, und zuerst beeindruckt einen die enorme Hit-Dichte – auf mehr als ein Dutzend kommen nicht viele andere Bands. Die Euphorie im Publikum ist entsprechend, Mercury hat leichtes Spiel – strengt sich aber trotzdem an. Gewöhnliche Menschen können „Bohemian Rhapsody“ ja gar nicht singen, schon gar nicht wenn Tausende falsch mitbrüllen. Auch Brian May bringt das rührende „Love Of My Life“ sicher nach Hause, während Mercury die Massen dirigiert. Was nicht nötig wäre, denn gerade wenn der ganze Pomp und das bunte Brimborium zusammenschrumpfen, merkt man, dass es auch ohne all das ginge. Es wäre aber weniger lustig gewesen! Und wenn wir den Abschluss-Hattrick „We Will Rock You“/“Friends Will Be Friends“/“We Are The Champions“ nicht so oft auf jeder Schulparty gehört hätten, wüssten wir die schiere Wucht dieser Stücke bestimmt noch zu schätzen. Größer wurde Rockmusik danach nicht mehr. Kitschiger natürlich auch nicht.

Als Bonus gibt es verschwommene Aufnahmen von den Proben und zwei kleinere Dokumentationen zur „Magic Tour“, eine davon inklusive neuer Interviews mit Brian May und Roger Taylor, der nichts von falscher Bescheidenheit hält: „It was pretty much perfect.“ Ihnen gehörte die Welt, und die damals kursierenden Trennungsgerüchte entkräftete Mercury auf der Bühne so: „We’re gonna stay together until we fucking will die, I’m sure … We’re not bad for four aging Queens, are we?“, und dann kommt natürlich „Who Wants To Live Forever“. Fünf Jahre später starb Freddie Mercury, und alles war vorbei. (Universal) birgit fuss

Als 1993 „August And Everything After“ erschien, hielten viele Adam Duritz nur für einen wehleidigen Wicht, doch er hatte immerhin ein paar Hits in der Hinterhand: Noch heute gehören „Round Here“ und „Mr. Jones“ zu den besten Stücken des Genres, das man damals College-Rock nannte.

14 Jahre später, im September 2007, spielen die Counting Crows in New York ihr Hit-Album zum ersten Mal komplett – dass es kein fröhlicher Abend werden würde, war klar. Zwischenzeitlich hat Duritz Depressionen und Nervenzusammenbrüche überlebt – er war wohl nicht bloß jämmerlich, er war krank. Seine Stimme hat allerdings nicht gelitten, er winselt immer noch wunderbar, nur die Band ist manchmal etwas lahm. Als Bonus gibt es ein 40-minütiges „In Depth“-Interview, das allerdings nicht sonderlich tief geht. (Eagle Vision) birgit fuss

Es ist nicht leicht, die Haare und die Kleidung zu ignorieren (vor allem, wenn es sehr viele Haa-re und sehr grelle Kleider sind), aber man kann’s ja mal versuchen. Twisted Sister waren mehr als Hair-Metal, auch wenn sie in den 80er-Jahren groß wurden und in manch hässliches Farbtöpfchen fielen. Bei einem ihrer frühen Konzerte, im North State Theater von Long Island 1982, spürt man die rohe Energie, den unbändigen Willen – und hört mehr als einen Ohrwurm. Die Gitarristen waren immer grottig, aber wie Dee Snider jedes Stück singt, als wäre es sein letztes, das hat eine Art.

Zeitsprung zur zweiten DVD des Doppelpacks: Nach 14 Jahren Spielpause fanden Twisted Sister beim New-York-Steel-Benefiz 2001 wieder zusammen. Älter, etwas geschmackvoller, manchmal außer Puste, immer noch wuchtig. You can’t stop Rock’n‘ Roll. (Eagle Vision) birgit fuss

Chris Rea avanciert mehr und mehr zum Meister der Großprojekte. Diesmal hat er seiner Musik zwei selbst gedrehte Filme beigelegt. „Bull Fighting“ verhandelt am Beispiel des Stierkampfs existenzialistische Fragen nach Moral und Tradition, wobei sowohl die Gedanken des Stierkämpfers als auch die des hingeschlachteten Viehs in Untertiteln betextet werden. In „Santo Spirito“ kommentieren zwei Engel über Funk die Glaubens- und Sinnsuche des Protagonisten, nachdem sich dessen bester Freund von einem Hochhaus in den Tod gestürzt hat. Rea hat in beiden Fällen einen hoch emotionalen Soundtrack komponiert. Fassungslos sieht man diese stummfilmartigen Collagen, die zum Dilettantischsten, Prätentiösesten und Skurrilsten gehören, was jemals gefilmt wurde. Da ist man froh, dazu Reas vertraute Bluesvariationen zu hören. (Warner)