R. E. M – And I Feel Fine… The Best Of The I.R.S. Years 1982-87
Einem Indie-Label, das sich mit demselben Kürzel wie die amerikanische Steuerfahndungs-Behörde schmückt, darf man wohl einen gewissen Sinn für Komik unterstellen. Als weniger komisch dürfen Fans empfunden haben, was die Firma mit dem Katalog der Gruppe R.E.M. alles veranstaltete, als die noch bei ihr unter Vertrag stand und erst recht nach dem Wechsel zu einer Major Company. Gemäß der Frank Zappa-Devise „Beat the boots!“ hatte man mit „Eponymous“ ein ganz schwaches „Greatest Hits“-Album mit einigen Alternativ-Mixes gebracht und auch „Dead Letter Office“ wieder nachgereicht, diesmal 22 Tracks inklusive des Debüts mit der „Chronic Town“-EP. Um mehr als zwei Dutzend Bonus-Tracks bereichert, erschienen 1992 die fünf Original-LPs neu. Mit den 20 Aufnahmen von „Singles Collected“ kam 1994 diesmal etliche Edits, ein Live-Mitschnitt und ein Alternativ-Mix von „Finest Worksong“ – eine weitere Nachlese, mit der man Kapital aus der beachtlichen Popularität des Quartetts schlagen wollte. Ein wüster Verhau und ein Albtraum für jeden Fan, der da mit der Zeit noch den Überblick behalten wollte. Weil auch Meisterwerke wie „Murmur’und „Document“ mit ganz hochkarätigen Raritäten nach wenigen Jahren neu aufgelegt worden waren, durfte man die zum zweiten Mal kaufen.
Diese ärgerliche Situation wollte man jetzt offenbar etwas bereinigen. Alle rare Ware der fünf Originalplatten und des „Dead Letter Office“-Samplers konnte man schlecht auf einer CD unterbringen. Also entschied man sich dafür, auf der ersten CD endlich einmal die 21 herausragenden Aufnahmen der frühen Jahre zu versammeln. Damit ändert sich nun nichts an der Tatsache, dass man ein spektakuläres Debüt wie „Murmur“ immer komplett gehört haben muss, um überhaupt ermessen zu können, was R.E.M. da als staunenswerte künstlerische Leistung abgeliefert hatten. Irgendwo ist bei denen solche Rosinenpickerei sowieso ähnlich albern wie bei LP-Verschnitten aus Mozarts „Figaro“ oder Randy Newmans Reprise-Jahren. Was den Sammlerwert dieses Rückblicks auf „die I.R.S.-Jahre dann doch beträchtlich steigert und quasi zu einem Mini-Box-Set macht, sind die 21 weiteren Aufnahmen auf dem fast randvollen zweiten Plättchen.
Hier taucht nicht nur offiziell erstmals das „slower electric demo“‚ von „Gardening At Night“ auf, da findet man auch weitere allerbeste Songs der Zeit als Live-Mitschnitte oder als erklärte (Studio-)Favoriten von Band-Mitgliedern, außerdem die üblichen Demos, Alternativ- und Outtakes wie „All The Right Friends“, bisher unveröffentlicht wie ein gutes halbes Dutzend andere auch. Die Ausbeute ist hier klar besser als auf der DVD „When The Light Is Mine“. Denn sowas wie die ganz frühen Mitschnitte von 1983 aus dem Paradise in Boston (die Band so überhaupt nicht in der melancholischen Verfassung von „Murmur“!) findet man nur hier.
Was man beim Vergleich mit den CD-Remakes von 1992 dann doch etwas frustriert konstatiert: Bei denen besteht akuter Bedarf nach einer klangtechnischen Generalrenovierung. Denn das ganze Studio-Material wurde jetzt weit besser überspielt. Insofern lohnt für jemanden, der nur die populärsten R.E.M.-Lieder aus diesen Jahren sein eigenen nennen will, sogar die Anschaffung der ansonsten doch überflüssigen Einzel-CD.