Randy Newman – Faust :: Rhino/WSM
Was nur, zum Teufel, wollte Randy Newman mit einem gottverdammten Musical? Acht Jahre sind seither vergangen, und der Künstler besteht darauf, er habe alles, was er überhaupt kann, in „Faust“ investiert. Ganz wie Goethe. Die Lektüre habe ihm, Randy, so viel Spaß bereitet, dass aber andererseits bei all der Weisheit der Wunsch zur Zerstörung in ihm reifte – wahrlich ein schon vorher bekannter infantiler Impuls in seinem Schaffen. Außerdem war der gute Stoff vergleichsweise billig zu haben, da er doch im weitesten Sinne der volkstümlichen Überlieferung zuzuschreiben ist Und der Geheimrat braucht auch keine Tantiemen mehr.
Natürlich erlaubte es die Musical-Form dem Komponisten, alle Register von Arrangement und Instrumentierung zu ziehen (während doch Newmans Kompositionen recht eigentlich immer gleich bleiben). Ja, das hat Aplomb und Raffinesse und Gefühl! Der launige und eloquente Liner-Notes-Schreiber Chris Willman vermutet hier eine seltene Vermählung von Rock’n’Roll und Theater – aber, verdammt, Randy ist so sehr Rock’n’Roll wie Goethe ein lässiger Hund. Und,,Faust“ wurde zwar im schönen La Jolla tatsächlich auf die Bühne gebracht – aber deshalb ist es noch kein Theater. Theater ist Peter Stein, ist Bruno Ganz, zwölf Stunden ohne Pinkelpause. Für Randy war La Jolla die Erfüllung. Aber weder verlässt er gern seinen Garten, noch war er bei der „Expo“ in Hannover. Wir wollen es nicht vergessen: Randy Newman ist Amerikaner und liebt L.A.
Statt Bruno Ganz treten in Newmans „Faust“ James Taylor, Don Henley. Elton John, Bonnie Raitt und Linda Ronstadt auf. Neben dem albernen Plot war es vor allem diese Besetzung, die uns 1995 bestürzt die Aufnahmen hören ließ. Henley gibt den halbstarken Henry Faust und bringt den ganzen verlogenen Eagles-Raubein-Charme mit, bis bei „Bless The Children Of The World“ ein Kinderchor lossülzt wie sonst nur beim pädophilen Michael Jackson oder eben in Randys, J Want You To Hurt Like I Do“. Okay, klafterweise Ironie. Wie ja wohl auch die Verpflichtung des alten Hausschuhs James Taylor als GOTT – wie muss sich Randy am Kamin über diesen himmlischen Witz ausgeschüttet haben! Der diabolische Humor war uns damals entgangen. Die notorische Koloratur-Drossel Linda Ronstadt beschwerte sich eitel über die ungeheure Skala, die Newmans Partitur den Sängern angeblich zumutete. Was sie nicht merkte: Er streckte die Tonleitern so extrem nur für sie bei ihrem „Gainesville“, das sie in der Rolle des Gretchen (noch ein köstlicher Witz) wie einen Schmachtfetzen aus „Ludwig II.“ säuselt.
Für Taylor (GOTT!) gibt es dagegen einfache Liedchen wie „Relax, Enjoy Yourself, für Elton das dramaturgisch vollkommen unsinnige „Little Island“, für die Röhre Bonnie Raitt adäquat Derbes – und für Randy selbst natürlich Töne, die er zugleich überhaupt nicht und also wunderbar singen kann. Mit dünner, belegter, schneidender Stimme: Randy Mephisto, der TeufeL Fast vergisst man all den Bombast drumrum für ein paar Takte, wenn er „A few more years“ knödelt – dann denkt man an „A few more holes/ In her arm/ That’s all“. Aber das ist ein anderes Stück von demselben Teufel.
Dass Newman den Gospel liebe und eigentlich ja ein Blues-Musiker sei – geschenkt. „How Great Our Lord“, „Life Has Been Good To Me“, „My Hero“ taugen auch als amerikanische Nationalhymne oder den Erweckungsgottesdienst mit George W. Bush (den Newman auf „Good Old Boys“ besungen hat, ohne ihn schon zu kennen).
Neu an der Platten-Version des „Faust“ sind einige Stücke, die nur in der Bühnen-Fassung zu hören waren. Und Newmans Demos, von denen er sich ungern trennte – obwohl er keinen billigen Reim verschmäht und sich mit Fats Domino sehr wohl fühlt. Insgesamt 20 Stücke hat Newman am Piano aufgenommen, selbst gesungen und dazwischen fahrig kommentiert. Das kennen wir bereits von Johnny Cuder’s Birthday“. Halten Sie sich fest.
In „Happy Ending“ stellt sich der Atheist, der Zyniker und Drei-Minuten-Meistersongschreiber Randy Newman den Himmel vor: „They got english girls/ With legs so long/ You gotta use a stepladder/ To lick their love thing/ They got wild women from Borneo/ Playin‘ die piano/ In your bungalow/ They got monkey women from the Amazon/ Or somethin really funky/ From the lands beyond.“
That’s why he loves man bind.