Replays 1 von Franz Schöler

Weder ein „Best Of-Verschnitt, noch eine hochrangige Raritäten-Kollektion, gehört „Sex, America, Cheap Trick“ (Epic E4K 64938) zu ienem neumodischen Typ von Box-Set, das nach der Devise „Endlich mal das Archiv ausmisten!“ für den eingeschworenen Fan produziert wird. Der findet in diesem Fall vom rundum besten CHEAP TRICK-Album „In Colors“ ganze drei Songs (nur zwei in der ursprünglichen LP-Fassung), dafür jede Menge A- und B-Seiten von Singles, unveröffentlichte Demos, Studio-und Live-Aufhahmen sowie Soundtrack-Auftragsarbeiten. Darunter reichlich Material, das sich allenfalls durch einen gewissen Kuriositätenwert auszeichnet. Bei viereinhalb Stunden Spieldauer konnte man auf die (eh wenigen) Single-Hits nicht verzichten. Daß der frühe Metal-Pop auch in den Live-Mitschnitten von 1977 (alle vormals unveröffentlicht) mühelos die biederen Studio-Produkte der 80er Jahre in den Schatten stellt, war sowieso klar. Und daß Sony-Tonmeister Vic Anesini ausdrücklich auf die klanglichen Unvollkommenheiten der Aufnahmen hinweist – und tatsächlich ist der klangliche Mehrwert gleich Null -, spricht Bände. Auch für Sammler bestenfalls mit 3 zu veranschlagen.

Dagegen enthält die ANN PEEBLES-Retrospektive „St. Louis Woman/Memphis Soul“ (HiBOOK 13/Edel-Contraire-Import) nicht nur das „I Can ‚t Stand The Rain“-Album komplett bis auf „Run Run Run“, sondern de facto alle besseren bis herausragenden Aufnahmen ihrer sieben LPs für Hi Records. Das ultimative Set für den Sammler, weil „Best of/“Greatest Hits“/“Rarities“ Kondensat in einer Box. Einziger Wermutstropfen: In einigen Fällen wurden anscheinend fiir LP-Umschnitte vorverzerrte „produetion master“ anstelle der Originalbänder verwendet – was die gelegentlich überzogenen Höhen erklären würde. 4,0

Aus dem guten Dutzend LPs, die Soul-Crooner AL GREEN für dasselbe Label einspielte, destillierte man für das 3 C-Set „A Deep Shade Of Green“ (HiBOOK 12/Edel-Contraire-Import) eine „Very Best OP-Auslese von 55 Aufnahmen, in dem auch Standards („Funny How Time Slips Away“) und die Gospel-Anfänge („People Get Ready“) des nachmaligen Reverend der „Full Gospel Tabernade Church“ dokumentiert sind. „Don’t Look Back“ war der programmatische Titel seines superben Comeback-Albums vor drei Jahren. Wenn der hier vorgelegte Rückblick eines beweist, dann die Tatsache, das Al Greens Sangeskunst nichts an Faszination eingebüßt hat 5,0

Mit ihrer Interpretation von „Mother Earth“ hätte TRACY NELSON jederzeit in allen Kirchen als Gospelsängerin brilliert: Aus Memphis Slims Song machte sie bei der Aufnahme für das Debüt „Living With The Animals“ nichts weniger als eine ergreifende Predigt! Mit „Down So Low“ enthielt dieselbe LP einen zweiten Blues-Klassiker, der sie eigentlich in denselben Superstar-Status wie die Kollegin Janis Joplin hätte katapultieren müssen. Aber nach dem Debüt zog die MOTHER EARTH-Kommune komplett nach Nashville um, weil sie sich dort musikalisch entschieden heimischer fühlte als zuvor im selbstgewählten San Francisco-Exil“. Die ewig schon überfallige Retrospektive „The Best Of Tracy Nelson/Mother Earth“ (Reprise 9362-46232-2) wird dem im Titel angemeldeten Anspruch nur bedingt gerecht Insofern nämlich, als man aus den sechs LPs für Mercury und Reprise auch mühelos eine Doppel-DC hätte zusammenstellen können. 4,0

Statt dessen entschloß man sich, den Mother Earth-Klassiker „Mother Earth Presents Tracy Nelson Country“(Reprise 9362-46233-2) separat – mit drei Country-Aufhahmen von zweiten Album als Bonus-Tracks – wiederzuveröffentlichen. Begleitet und (co)produziert von der Elite der Nashville-Profis, ist diese radikal puristische Platte (mit Genre-Evergreens von Hank Williams und Bück Owens bis Don Gibson und Tammy Wynette) nach wie vor mehr ein Monolith in der Geschichte des Country-Rock als vergleichbare Platten von Dylan und Byrds bis zu John Fogerty und Elvis Costello! 10 Prozent (früher Elvis und Boz Scaggs) und 90 Prozent Country – also zeitlos schön. 4,5

Obwohl seinerzeit nicht annähernd so verkannt, gibt es jetzt von ALAN PRICE erstmals seine beiden Decca-LPs als CDs. Und zwar mustergültig „versilbert“ auch insofern, als „The Price To Play“ (Repertoire REP 46U, zwölf Bonus-Tracks, 3,5) und mehr noch das famose „A Price On His Head“ (neun Randy-Newman-Songs, elf Bonus-Tracks: 4,5 (Repertoire REP 4612/beide Edel Contraire) wirklich um Welten besser klingen als 1966/67 auf den offenbar von schlampig gezogenen Kopien überspielten Teldec-Pressungen. Vielseitiger talentiert als ein Steve Winwood, hat Alan Price dann doch nie eine so steile Karriere erlebt Daß es von den Solo-Platten des Ex-Animal: mehr auf Raub-CDs gab als auf juristisch koscheren CDs, spricht für den Geschmack der Bootlegger.

Anders als mehr profitorientierte Kollegen wollte Polygram-Produzent Bill Levenson die Reinaster-Edition von ERIC CLAPTONs Solo-Platten der 70er Jahre zum Geldbeutel nicht strapazierenden Midprice vermarktet wissen. Anstatt nach dem Vorbild der Byrds-Remaster ein paar Dollar mehr in Remixes zu investieren und so die Klangqualität erheblich aufzunorden, beließ er es leider bei kosmetischen Retuschen. „461 Ocean Boulevard“ klingt jetzt schlechter, Just One Night“ wiederum weitaus besser als zuvor. Wer soll das noch durchschauen? Clapton, nach überhöhter Geschwindigkeit im Sportwagen derzeit ohne Führerschein, wird verschaukelt Sobald auch das „Crossroads-Box-Set in Neuüberspielung vorliegt, kommen wir auf die Clapton-Remaster ausführlich zurück.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates