Replays von Franz Schöler

Eigentlich sollte hier Weihnachten mit keiner Silbe erwähnt werden. Doch spätestens bis Weihnachten 1995 – so hat es Produzent George Martin kürzlich versprochen werden wir dank einer Anthologie von fünf oder sechs CDs endlich ganz legal all jene wundervollen BEATLES-Studio-Aufnahmen kaufen können, die die EMI bislang – vor allem auf den Einspruch von Paul Mc Cartney hin – nie veröffentlichen durfte. Weshalb sich natürlich viele Boodegger ihrer bemächtigten und diese in den Abbey-Road-Archiven schlummernden Schätze „versilberten“. Das wurmte die Firma schon lange, und daher veröffentlichte sie zunächst ab Doppel-Set mit dem Titel „Live at BBC“ 56 von jener Rundfunkanstalt ausgestrahlte Beatles-Aufnahmen aus deren großen Rock’n’Rolier-Jahren. Diese zirkulierten vorher zwar auch schon auf unzähligen Bootlegs. Nur wurden sie jetzt mit jedem erdenklichen Tonmeister-Trick, den die letzte Version des „No Noise“-Rechners von Sonic Solutions erlaubt, klanglich so aufpoliert, daß das Gros der Mono-Aufnahmen hier besser klingt als bei der Rundfunk-Erstausstrahlung und auf jedem Bootleg danach. Einige Mitschnitte mögen zwar richtig „historisch“ in der Klangqualität anmuten, doch am überragenden historischen Rang in der anderen Bedeutung des Begriffs ändert das nichts. 4,5

Ein anderes Juwel aus dem EMI-Archiv gibt’s mittlerweile in kraß abweichenden Fassungen parallel, nämlich das letzte MOVE-Album „Message Front The Country“, einmal in Lizenz original vergeben (BGOCD 238/TIS) und dann unter dem Titel „Great Move! The Best Of The Move“(EMI796060 2)angereichert um die letzten Singles, die das Quartett aufnahm, bevor es sich in Wizzard und Electric Light Orchestra spaltete. Die BGO-Version, von falsch entzerrter Kopie übernommen – keine Höhen, kei-nerlei Dynamik, mindestens so schlecht klingend wie seinerzeit die Harvest-Vinylpressung – sollte man meiden! Klanglich eine Offenbarung ist dagegen die vom Oldies-Spezialisten Ron Furmanek betreute, von den Ur-Bändern fabelhaft neu überspielte und optimal nachentzerrte CD. Auch der nach „Can’t Explain“-Vorbild von den Who modellierte Move-Klassiker „Do Ya“ klang nie besser als hier. 3,5 Keinerlei Schlampereien gestattete sich auch der für das ABBA-Set „Thank You For The Music“ verantwortliche Tontechniker. Beim Remastering stellte er einen fast bis ums Doppelte „lauteren“ Überspielpegel als bei den millionenfach verkauften „Gold“und „More Gold“-CDs ein. Was diese 4-CDBox (Polydor 523 472-2) zum richtigen Sammlerstück für Fans macht, sind die eineinviertel Stunden unveröffentliches Material und darunter wiederum jene Songs, deren unglaubliche Ohrwurm-Qualitäten die Herren Ulvaeus und Andersson wie auch der allmächtige Manager Stig Anderson seinerzeit offenbar gar nicht erkannten. Zu finden sind die auch in dem von Tonmann Michael Tretow neu abgemischten/editierten Medley „Abba Undeleted“. 4,0

Zu den kurioserweise am sorgfaltigsten gehüteten Geheimnissen der Rock-Historie gehört die Tatsache, daß das legendäre Sangestalent SAIM COOKE nach seinem Weggang von Spedalty Records mit J. W. Alexander das SAR-Label gründete, das er als „Heimat“ für ambitionierte Gospel-Interpreten wie sein frühes, eigenes Vokalensemble konzipiert hatte. SAR leitete er dann auch fünf Jahre lang als Komponist und Arrangeur, Produzent, Verleger und Label-Boss in einer Person. Und das alles parallel zu seiner Popstar-Karriere bei RCA! Unter den Künstlern die er verpflichtete, fanden sich neben den Soul Stirrers der junge Billy Preston, Johnnie Taylor und die Womack-Brüder, die unter dem Namen The Valentinos mit „It’s All Over Now“ den letzten, nachmals weltberühmten Song des Labels aufnehmen sollten. Als der im Dezember 1964 für die Rolling Stones zum ersten Nr. 1-Hit wurde, war Sam Cooke auch schon tot, der Legende nach erschossen von einer überängstlichen Hotel-Managerin. Fast drei Jahrzehnte setzten seither die Bänder, die nun endlich in der sehr schön aufgemachten 2-CD-Box unter dem Titel Sam Cooke’s SAR Records Story 1959-1965″ wiederveröffenuicht wurden, im Archiv Staub an. Unfaßbar! Denn das ist nun wirklich ein edles Sammler-Teil für Gospel- und Soul-Fans, wenn auch bislang nur über Importe von jpc bis WOM (ABK-CO Records 1131-2) zu haben. 5,0

Als letztes Wort in Sachen EVERLY BROTHERS sieht man bei Rhino Records offenbar die 4-CD-Andiologie „Heartaches & Harmonies“(R2 71779/TIS). Was so allerdings nicht ganz zutrifft, jedenfalls solange Bear Family-Boß Richard Weize noch aktiv ist. Dessen 3-CD-Set Classic Everly Brothers“ ist, was die komplett dokumentierten Cadence-Aufhahmen betrifft, auch bezüglich der Klang-Qualität allererste Wahl Was wiederum die Rhino-Box auszeichnet, sind die drei Stunden an vorzüglich überspielten Songs der zehn Warner-Brothers-Jahre des Duos. Die klingen hier nämlich im Zweifelsfall noch einen Tick besser als auf den WEA-eigenen CDs! e die Songs aus dem legendären, auf CD unerklärlicherweise nie erschienenen „Roots“-Album von 1968! 4,5

Bei BGO steht man mit der Technik bisweilen auf Kriegsfuß: Aus den Pub-Rock-Lehrjahren von Pop-Meister NICK LÖWE gibt es endlich das Zweitwerk „Despite It All“ größzügig gekoppelt mit dem Debüt „BrinsUy Schwarz“ (BGOCD 239/TIS) – nur in der Reihenfolge falsch und zudem so extrem leise überspielt, daß man sich fragt: Wer hat da gepennt? Gerade beim Frühwerk von „Old Basher“ wäre doch mehr Sorgfalt angebracht! What’s so funny ‚bout understanding?3,0

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