Revolutions In Sound:

„Warner Bros. Records – The First 50 Years“

Die Besitzer kamen und gingen, und schließlich gelangte das traditionsreiche Label in den Besitz einer Firma, die mit Beerdigungsunternehmen und Parkplätzen viel Geld verdient hatte. Nur Mo Austin war immer da und leitete die Geschicke von Warner Bros. in Burbank.

Man kann die abenteuerlichen Burlesken in Stan Cornyns fabelhaftem Buch „Exploding“ (in deutscher Übersetzung: „Explosiv!“ im Hannibal-Verlag) nachlesen- der Autor war von Beginn an so etwas wie Klappen- und Reklametexter bei Warner und dachte sich manche Schelmerei aus, etwa für die frühen Platten von Randy Newman, die trotz höchsten Kritikerlobes nicht gekauft wurden. Cornyn konterte in Zeitschriftenanzeigen mit ebendieser Erfolglosigkeit.

Die Warner Music Group verleibte sich mit der Zeit so renommierte Labels wie Ahmet Erteguns Atlantic, Jac Holzmans Elektra und David Geffens Asylum ein. In den Siebzigern strebte Warner Bros. immer neuen Rekorden entgegen, die jährlichen Bilanzfeste und Vorschauen wurden stetig luxuriöser, irrwitziger und ausufernder. Um 1977 wurden so viele Schallplatten verkauft wie noch nie- und ein Ende (das schon um die Ecke wartete und mit der Erfindung der CD noch einmal verzögert wurde) war nicht abzusehen.

Beflügelt von Kokain, ausgestattet mit Spesenkonten und freiem Zugang zu Hotelzimmern, Champagner und Edel-Huren, suchten die Goldgräber das jeweils noch größere neue Ding. Mo Austin, der rechtschaffene Konzern-Papa, herrschte, teilte- und ließ ansonsten gewähren. Warner Bros. hatte (auch auf Frank Sinatras angegliedertem Reprise-Label) die Songschreiber Gram Parsons, Gordon Lightfoot, Randy Newman, John Cale, Ry Cooder, Rickie Lee Jones, Maria Muldaur und Leo Sayer geduldig gefördert, mit Eintagsfliegen wie Tiny Tim überraschend Geld vermehrt und später (in den USA) John Lennon, Soft Cell, Dire Straits, die Ramones, Talking Heads Violent Femmes, Donald Fagen und die Replacements unter Vertrag, einige davon via Seymour Steins progressivem Sire-Label.

Sogar Elvis Costello hatte eine kurze, leider unglückliche Phase bei Warner Bros., während der er vorausschauend sein Großwerk „Spike“ finanzierte und rund um die Welt aufnahm. Das Ende, kein Jahrzehnt später, war traurig. Auf zehn CDs dokumentiert dieses üppige, freilich auch verwirrende Box-Set die fünf Jahrzehnte von den Anfängen mit Dean Martin, Frank Sinatra, den Everly Brothers und Peter, Paul And Mary bis zu Josh Groban und Linkin Park- mit einem Stück je Künstler.

Revolutionär war der Sound selten- am ehesten in der New-Wave-Zeit. „Randy Newman creates something new under the sun“ war eine werbende Sentenz von Stan Cornyn, nicht der Titel des Debüt-Album von Randy Newman- ein Missverständnis, das sich bis heute in Diskografien hält. Und Newman hatte ja auch etwas Neues unter der Sonne erschaffen. Andererseits verdankt der Songschreiber natürlich viel der amerikanischen Lied-Tradition und der Filmmusik, auch dem europäischen Kunstlied. Warner Bros. hatten nichts gegen Genie, aber Können war ihnen stets noch lieber.

Schließlich war das Musik-Label aus dem Filmstudio hervorgegangen. Der Mogul Jack Warner beurteilte neue Filme nach Pinkel-Pausen. Beieiner Vorführung von „Bonnie & Clyde“, 1967, ging der Alte sehr oft zur Toilette. Auch war er angefasst von der Gewalt. Nun je, Arthur Penns Werk sei doch eine Hommage an die alten (und durchaus brutalen) Gangster-Filme mit James Cagney, für die Warner Bros. berühmt waren, erklärte ein Studio-Mann. Jack Warner grummelte: „Was ist eine Hommage?“ (Warner)

Arne Willander