Richard Thompson – You? Me? Us? :: Capitol / EMI
Richard Thompson Cipitol KM1 Als Richard Thompson vor exakt zehn Jahren in die USA übersiedelte, war das ein persönlicher Befreiungsschlag für einen Musiker, der daheim – like Punk happened! – längst als fader hos been oder wuseliger Alt-Hippie galt Angenehme Alternativen! Der Preis für den Exodus war eine zwar ungebrochen treue, aber doch einigermaßen gespaltene Fan-Gemeinde, die dann doch nicht so rasant anwuchs, wie sich das der ehemalige Fairport Convention-Mann vielleicht selbst erhofft hatte. Die Nörgler warfen ihm danach gerne vor, er habe sich zu sehr setner genuin britischen Folk-Roots entfremdet, während andere doch Seiten am Meister zu entdecken glaubten, die erst von seinem neuen Stammproduzenten Mitchell Froom freigelegt werden konnten. “ You? Me? Us?“ ist nun die erste Froom-Produktion, die beide Lager wenn nicht gleich zusammenführen, so doch zumindest zufriedenstellen könnte – paradoxerweise weil Richard Thompson sich quasi selbst gespalten hat. Die immerhin 19 Tracks (davon zwei zweimal vertreten) wurden nämlich auf eine elektrisch-verstärkte „Voltage Enhanced“-CD und eine akustische ,JVude“-CD verteilt. Geholfen haben bewährte Thompson-Mitstreiter: Jim Keltner und Pete Thomas an den Trommeln, Jerry Scheff (Baß), Christine Collister (Gesang), im Akustik-Segment setzt Bassist Danny Thompson die (Neben-)Akzente. Der Titel suggeriert zwar Konfusion. Doch es ist ja gerade beeindruckend, mit welcher Konsequenz sich Thompson immer wieder und immer noch des einen großen Themas – etwa: „Die Unmöglichkeit der Liebe in Zeiten wie diesen“ – annimmt und dieses bis in den hintersten Winkel ausleuchtet Wobei es gleichermaßen sein schneidender Humor als Texter und seine schwindelerregende Brillanz als Gitarrist sind, die ihn auch auf,, You? Me? Us?“ davor bewahren, dabei in bloßem Leidens-Sumpf zu versinken. Der Blick ins Dunkel zwischenmenschlicher Abgründe gibt auch hier den Blick frei auf Protagonisten, die keine Mitte finden (können). Thompson-Charaktere – und solche sind es, auch wenn ihm immer noch der Mythos des nur autobiographisch Motivierten nachhängt -, diese Charaktere also müssen Extremisten sein in einer Welt, die „normal“ eng definiert. Sie fühlen zuviel oder ein bißchen zu wenig, brennen vor Eifersucht oder erstarren im lähmenden Empfinden eigener Unzulänglichkeit, schießen weit übers Ziel hinaus oder bleiben auf halber Strecke liegen, sind Gefangene ihrer Emotionen: ,4 can’t break out and I can’t break in“ („The Ghost Of You Walks“). Die Folge: ein Tanz auf des Messers Schneide, bis die Füße bluten. Das Herz ja sowieso. Nach dem Verrat, den Thompson in „Put It There Pal“ ebenso lakonisch wie gehässig ausbreitet (und mit einem dieser erratisch-elektrisierenden Soli buchstäblich hörbar werden läßt), bleibt meist nur noch einsames Versteckspiel („Hide It Away“). Oder Mißtrauen, ob die „Cold Kisses“ der Ex-Liebhaber nicht vielleicht doch noch ihre wärmende Wirkung tun. Und selbst wenn die Klingen dann wieder in den Futteralen stecken: Am Endewarten immer schon die Geister kaum greifbar, aber doch grausam präsent. Die Zuordnung „Elektrisch akustisch“ wirkt zuweilen leicht willkürlich. Und der JRazor Dance“ gewinnt klar im BandArrangement, das die Spannung zwingender steigert Doch kein Zweifel: Richard Thompson liefert wieder jede Menge Futter für jede gut bestückte Jukebox Of Broken Hearts egal, ob gerade erst leiser Zweifel nagt (wie im turbulenten Cajun-Hop „Am I Wasting My Love?“) oder der Bart (bzw. die Haare: „She Cut Her Long Silken Har“) schon vollends ab ist. Jörg Feyer