Robbie Williams – Intensive Care

Daß dieses Album eine Enttäuschung ist, hat man verschiedentlich gelesen. Die Anti-Klimax: so lang erwartet, so konventionell die Songs. Kein Stück hat die Raffinesse, die tief fliegenden Streicher, den Bläsersatz des erstaunlichen „Tripping“. „Intensive Care“ ist eine Aufarbeitung der späteren 80er Jahre voll raunender Chöre, Stephen-Duffy-Bombast, klingelnder Keyboards, schwerfälliger Balladen und edler Geigensülze. Greg Leisz spielt neben vielen Gitarren auch eine Pedal Steel, die man in den überfrachteten Arrangements freilich nicht hört. „Spread Your Wings“ etwa klingt mit der Rickenbacker-Gitarre wie „Girlfriend In A Coma“ von den Smiths, Williams spricht-singt wie ein Hybrid aus Iggy und lan Dury, aber all diese Fender- und Gibson-Gitarren verkleistern den Song.

Die einzige große Schnulze ist „Advertising Space“: „I saw you Standing at the gates/ When Marion Brando passed away/ You had that look upon your face/ Advertising space.“ Hier wie in fast allen Stücken ist nicht erkennbar, wer eigentlich spricht, wen der Erzähler adressiert, wovon er erzählt: „No one learned from your mistakes/ We let our prophets go to waste.“ Wer ist Josephine in „Ghosts“? Warum singen alle im Kino, auf der Autobahn, in der Milchstraße? Wer glaubt, wir sollten still leiden? Wer ist Crowley – Aleister? Und weshalb ist immerzu vom Tod die Rede? Es sollte ein Album der großen Gefühle, der großen Gedanken und der großen Melodien werden, doch es wurde ein Dokument der Krise, der Überforderung.

Stephen Duffy ist vermutlich doch der falsche richtige Mann für die Larmoyanz, die Prätention und die schwarzen Gedanken des Robbie Williams. Das scheußlich dudelnde „Your Gay Friend“ mit käsigen Synthesizern erinnert an seine schlimmste Zeit als „Tin Tin“, „A Place To Crash“ ist ein fadenscheiniges, wirres Plagiat von „Sympathy For The Devil“, „Make Me Pure“ – an dessen Text der Robbie-Privatsekretär Chris Heath mitgeschrieben hat – ist eine jämmerliche Selbstdarstellung und lahme Ballade, „Sin Sin Sin“ ein banaler Achtziger-Jahre-Disco-Stampfer wie auch das unfaßbar überinstrumentierte, leiernde „Random Acts Of Kindness“. Das Schluß-Rührstück „King Of Blöke And Bird“ ist schon vergessen, bevor das sphärische Fade-out mählich verklingt. Williams dachte an Scott Walker und Randy Newman, doch man hört Ultravox, Duran Duran, Wham! und Simple Minds. Und den Eurovision Song Contest.

Cliff Richards Welt.

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