Rockin‘ At The 2I’s Coffee Bar :: Der dunkle, stickige Keller einer Coffee Bar in Soho ist die wahre Geburtsstätte der britischen Popmusik
Wo alles begann
von Andrew Ings
Der Londoner Stadtteil Soho war ein verdammt heißes Pflaster in den Fifties, bevölkert von zwielichtigem Gesindel, so Chronist Andrew Ings, jedoch auch „vibrant with artists, musicians and intellectuals“. Hunderte von Cafés, Pubs und Clubs konkurrierten um Kundschaft, eine gut bestückte Jukebox gehörte zur Grundausstattung der Etablissements. Country, Blues und Trad-Jazz drang aus den Lasterhöhlen, oft auch live gespielt von wandlungsfähigen Allrounder-Bands, die sich auf die jeweilige Klientel aus Seeleuten oder Beatniks musikalisch einzustellen wussten.
Als 1956 die 2I’s Coffee Bar in der Old Compton Street ihre Pforten öffnete, war Skiffle das Gebot der Stunde, und die Bar-Betreiber erkannten schnell, dass ihr Keller kommode Voraussetzungen für Skiffle-Acts bot. Wer oben seinen Espresso für Sixpence geschlürft hatte, stieg die engen Stufen hinunter „to a dismal, dark and gloomy basement, dimly lit by a couple of weak bulbs“. Als Bühne dienten ein paar Getränkekisten, Luxus wie Luftzufuhr gab es nicht, die nächste öffentliche Toilette war zehn Minuten entfernt, am Piccadilly Circus.
Was niemanden zu stören schien, denn der Laden war allabendlich gut besucht und ab Sommer ’57 brechend voll. Skiffle hatte ausgedient, dieses neue Ding namens Rock’n’Roll verlangte nach einer Plattform und fand sie im 2I’s. Dort, im feuchten, verqualmten Souterrain wurde Feuer an einer sehr kurzen Lunte gelegt, die Explosion war unüberhörbar.
Fortan standen Teenager schon mittags an, wenn nachts Tommy Steele oder Terry Dene auftraten, The Drifters mit Cliff Richard, Vince Taylor, Marty Wilde oder Adam Faith. „It was a terribly exciting place for a teenager“, so ein Zeitzeuge in Teddy-Boy-Kluft im Jahr 2006, anlässlich der Enthüllung einer Gedenkplakette am ehemaligen Standort durch das Westminster City Council. „Site Of The 2I’s Coffee Bar (1956-1970)“, ist darauf zu lesen, „Birthplace Of British Rock’n’Roll And The Popular Music Industry“.
Kaum drei Jahre lang währte sie, die wildbewegte Zeit des britischen Rock’n’Roll in diversen Kellergewölben von Soho, ab 1960 geriet Rock’n’Roll langsam ins Hintertreffen, andere Stile und Szenen in anderen Schuppen Londons oder Liverpools sorgten für Furore. Weitere drei Jahre später eroberte die Welt, was in der Old Compton Street seinen Anfang genommen hatte: Pop made in Britain. (Book Guild Publishing, ca. 20 Euro)
von Graeme Thompson
Es hat etwas Deterministisches, wie hier Rick Rubins Masterplan gedeutet wird, etwas Epiphänomenologisches, wie Johnny Cash notgedrungen sein Los als Prediger ohne Gemeinde annimmt, wie der Produzent als Heiliger Geist in den Gedemütigten fährt, ihn aufrichtet und ihm eine neue Herde zuführt, eine hippere, in Johnny Depps Viper Room. Rubin, so steht geschrieben, hatte sich „aktiv auf die Suche nach einer Legende“ begeben, die „ihre besten Tage hinter sich hatte“. Und siehe, er wurde fündig. Halleluja! (Bosworth, 20 Euro)
von Sean Egan
Untertitelt „The Story Of The Animals, Newcastle’s Rising Sons“, liegt Egans lesenswerte Band-Bio nun schon in dritter, erneut erweiterter Edition vor. Jede Aufnahme, jede Platte wird untersucht, in den größeren Kontext rasanter Pop-Evolution gestellt sowie vor dem Hintergrund interner Querelen schonungslos ausgeleuchtet. Der Bruch mit Alan Price, Eric Burdons volatile Persönlichkeit, Chas Chandlers Machenschaften: Überlebende Mitglieder geben offenherzig Auskunft. Nur auf Burdons Spätwerk fällt ein zu milder Schein. (Askills, 25 Euro)
von Carole King
So brillant Carole King als Songschreiberin war, so überragend ihre Bedeutung für die Popgeschichte ist: Spannende oder gar literarisch ansprechende Prosa zu schreiben, gehört nicht zu ihren ausgeprägtesten Talenten. Natürlich erfährt man viel über Caroles Jugend, die Dynamik von Songwriter-Partnerschaften, das Innenleben des Brill Building und die Genese von „Tapestry“, freilich in eher schlichten Worten und allzu sachlichem Ton. Keine mitreißende Autobiografie mithin, dafür eine informative, im Detail erhellende, immerhin. (Virago, ca. 32 Euro)