ROGER MCGUINN – LIVE FROM MARS :: Hollywood/Polydor

Die Geschichte der Byrds liest sich wie eine Abfolge von Shakespeare-Dramolettes: Richtungsstreit und Diadochenkämpfe, Neid und Mißgunst, List und Tücke, Lug und Trug. Das Band-Lineup fluktuierte wie die Regierung in Italien: Intrigen und Ego-Tripping ohne Ende. Roger McGuinn war die einzige Konstante, von den Preflyte-Byrds bis zur Reunion-LP zehn Jahre später. Er hatte die Gabe des Ausgleichens, spielte aus und saß aus. McGuinn setzte sich auch dann durch, wenn eine Mehrheit gegen ihn war, denn er hatte das schlagendste Argument: Seiner 12string-Rickenbacker, glockenhell und flächendeckend, konnte keiner widerstehen. Diese zwölf Saiten waren die Insignien der Byrds-Macht und nur Gram Parsons gelang es, sie für ein kurzes Jahr durch eine Pedal Steel zu ersetzen, bevor er in London in die Hochburg der Dekadenz eingelassen wurde und fortan die Stones hofierte, während Mc-Guinn seine Rickenbacker in Südafrika erschallen ließ fiir die Apologeten der Apartheid, glockenhell und flächendeckend.

Nun hat Parsons den Planeten vor langer Zeit schon verlassen, gefolgt von Clarence White, Gene Clark und Michael Clarke. Von David Crosby droht keine Gefahr: Der ist heilfroh, daß er überhaupt noch lebt. Und Chris Hillman hat sein Auskommen in Nashville, von wo aus er den Geist von Bakersfield beschwört und seine Bluegrass-Wurzeln sprießen läßt. So stört keiner mehr die Kreise McGuinns, wenn er solo durchs weite Land streift und in die abgelegensten Winkel und Kaffeehäuser Kunde bringt vom heroischen Aufbruch in die Ära des Folk-Rock. Been there, done that.

Seit etlichen Jahren tingelt Roger McGuinn bereits durch kleine Clubs, begleitet nur von seiner Frau und Managerin Camilla und seiner noch wohlgeformteren, zwölfsaitigen Vertrauten. McGuinn liebt das. Hier muß er nicht mainstay sein und den Machtmenschen heraushängen lassen. Am wohlsten fühlt er sich als Markenartikler und Märchenonkel.

„Live From Mars“ ist das Dokument eines dieser bunten Abende mit Ringelpiez und Mitklatschen. Und bei „So You Wanna Be A Rock’n’Roll Star“ dürfen alle noch einmal kreischen an den strategischen Stellen. Wie damals, weißt Du noch? Die Nostalgie macht aus Menschen Amöben, etwas Gallertartiges mit weichem Zellkern. Wer freilich gern Amöbe ist, kommt bei Meister Mc-Guinn voll auf seine Kosten.

Leutselig und linear fuhrt er durch seine musikalische Vita, stets Handelnder, nie Getriebener. Den Urknall aus Memphis vernimmt der Teenager in Chicago und greift zur Gitarre. Als akustischer Beleg wird eben mal „Heartbreak Hotel“ hastig zerschrammelt. Auf Elvis folgt Folk, McGuinn spielt bei den Limeliters und dem Chad Mitchell Trio, mit Bobby Darin und Judy Collins, alles faszinierend eigentlich, aber in einem so beifallsheischenden, jovialen Ton vorgetragen, als gelte es, Lob von Omi einzuheimsen für die Bewältigung von sooo viel Spinat. Dann traf ich Bob Gibson, fabuliert McGuinn, und der spielte die Gitarre so: pling-pling. Ich aber, nicht auf den Kopf gefallen, spielte das mit einem Beatle-Beat (Zitat, kein Witz), und das klang dann so: püngplangplong. Beifall. Man lernt nie aus.

Die Anekdoten sind harmlos, die Musik ist es auch. Aber aufs hübscheste. „Chestnut Mare“, das glorios gelungene Spätwerk aus dem abortierten Songzyklus „Peer Gynt“, gewinnt fast noch durch die verbalen Streicheleinheiten und ad hoc eingestreute Erläuterungen („She’U be just like a wife“ ausgenommen). Sehr schön auch die beiden Studio-Cuts am Ende, zwei neue Mc-Guinn-Songs, die er mit den Jayhawks aufnahm. Wäre ein prima Album geworden. Daraus wird nun nichts mehr. Statt dessen verdichten sich Reunion-Gerüchte, mehr als zwanzig Jahre nach dem letzten flügellahmen Byrds-Flug.

Die Byids ohne Gene Clark sind wie die Beatles ohne John Lennon, Rogerchrisdavid als Paulgeorveringo.

Noch eine Farce, diesmal mit „Free As A Byrd“? Gnade.

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