Roots – von Jörg Feyer

Im neuen Jahr wollen wir doch wieder alle etwas dazulernen. Wer etwa die Disziplin „Schöntrinken“ und ähnliche Formen des Realitätsverlustes bisher (nicht ganz zu Unrecht) für eine typisch männliche Domäne hielt, darf sich nun von Amy Allison eines Besseren belehren lassen. Die Tochter des großen Mose Allison kommt auf „The Maudlin Years“ (Koch) wie eine in jeder Hinsicht tiefergelegte Sangesschwester von Victoria Williams daher und singt ihre traditionell getönten Country-Tragödien wie „The Whiskey Makes You Sweeter“ mit ironischem Einschlag, aber doch voller Respekt fürs Genre. „Maudlin“ wird übrigens in „Webster’s Dictionary“ definiert als „drunk enough to be emotionally silly“. Musikalisch weiß Amy Allison aber ganz genau, was sie tut und will. 3,5

Es ist kein gutes, aber sinniges Zeichen, daß die populärste, nun ja, „Country“-Band dieser Breiten ein „Truck“ im Namen führt. Denn die besten Trucker-Songs haben andere geschrieben, beispielsweise Lowell George, dessen Litde Feat-Klassiker „Truck Stop Girl“ sich in der Interpretation der betörenden Kelly Willis auf „Rig Rock Deluxe: A Musical Salute To The American Truck Driver“ (Upstart/In-Akustik) wiederfindet. Darüber hinaus garantieren Namen wie Bück Owens, Steve Earle, Marty Stuart, Cheri Knight, Junior Brown etc. ein 16-Song-Hörvergnügen, das selbst passionierte Nicht-Autofahrer wie diesen Kolumnisten von „Six Days On The Road“ träumen läßt. 4,0

Wer es geschafft hat, über 35 (!) Jahre heißer Anwärter auf die Nummer eins der Charts zu bleiben, darf sich gewiß „All Time Favorite Country Songwriter“ (Koch) nennen. Gute fünf Jahre nach seinem endgültigen Durchbruch mit „Heartaches By The Number“ (Ray Price) traute sich Harlan Howard 1965 auch mal selbst ins Studio, um diesen und andere Hits ( „I Fall To Pieces“, „Pick Me Up On Your Way Down“ etc.) zu verewigen. Seine damals noch selbst gesungenen Demos müssen aber ein bißchen anders geklungen haben… Howards vorläufig letzter No.1-Hit hieß 1993 übrigens „Blame It On Your Heart“, gesungen von Patty Loveless. Historischer Wert: 3,0

Mit einer durchaus repräsentativen „Greatest Hits“-Nachlese (ARIS)verabschiedet sich John Anderson vom BNA-Label. Für Country-Novizen eine sehr gute Gelegenheit, einen komprimierten Blick ins jüngere Oeuvre eines stilbildenden Interpreten zu werfen, der den „New Traditionalist“-Sound schon anno ’83 mit „Swingin“ erstmals in die Pop-Charts führte. 3,0

Seit fast drei Dekaden eine sichere Bank, wenn stilsicherer Big Band-R&B mit Jazz-Finesse und Rock ’n‘ Roll-Power gefragt ist: die Roomful Of Blues. Erstaunlich, daß die Formation von der US-Ostküste selbst den Abgang wichtiger Musiker (Duke Robillard, Ronnie Earl) unbeschadet verkraftet hat: It’s the sound that counts! Auch auf dem neuen Album „Under One Roof (Zensor/Indigo), das bereits die dritte Arbeitsprobe mit dem überzeugenden Sänger/Harp-Spieler „Sugar“ Ray Norcia darstellt. 3,0

Akustischer Blues scheint auch in ’97 ein Thema zu bleiben: Monti Amundson, zuletzt eher mit Kraft-Blues-Rock aktenkundig geworden, setzt mit „I See Trouble“ (Zensor/Indio) ganz auf eine reduzierte Trio-Spielart, die selbst zigmal Bearbeitetes von Johnny Guitar Watson und Stirn Harpo entstaubt. Dazu serviert der Mann aus Portland, Oregon, zumindest Passables aus eigener Feder. 3,0

Eine Norwegerin in Austin, Texas. Das klingt auf dem Papier dann doch interessanter als es tatsächlich ist. Denn Tine Valand bleibt auf „She’s Just Leavin“ (Sony/SMIS) als Interpretin leider etwas blaß und damit hinter ihren eigenen Songs und erst recht denen von David Halley und Ian Matthews zurück. Doch das Highlight des Albums ist zweifellos Tom Russels Song „Mineral Wells“, hier inspiriert dargeboten als Duett mit dem ewigen Gentleman Guy Clark. 2,5

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