ROOTS :: von Jörg Feyer
Seit den Pionier-Tagen der großen Bessie Smith haben Frauen stets ihr ganz eigenes Bild vom Blues entworfen. Nach einer kleinen Durststrecke in den 80er Jahren ist die feminine Renaissance kaum zu überhören, zumal immer wieder große neue Talente wie SUSAN TEDESCHI hervortreten. Die junge Blondine aus Boston geht auf JuäH6n’tBum“(Ton&Codllin-Akustik) optisch glatt als allamerican girl durch, läßt aber eine wunderbar „schmutzige“ und dabei sehr variable Stimme von der Leine, die ihr angenehmes Äußeres zumindest konterkariert, sich aber nicht nur auf ihr expressives Potential verlassen muß. So wandelt sie auf den R&B-Spuren einer Ruth Brown („Mama, He Treads Your Daughter Mean“) ebenso souverän, wie sie John Prines „Angel From Montogomery“ Country-Blues-Schwingen verleiht. Dazu mischen eigene Songs wie „Found Someone New“ und „Looking For Answers“ das Sparten-Einerlei kräftig auf. 4,0
Kollegin SUE FOLEY hat ihre Reifeprüfung längst bestanden und präsentiert sich auch auf ihrem fünften Album „10 Days In November“ (Shanachie/Koch) ausgeschlafen gut Der Blues ist für die Texanerin längst nur noch eine, freilich die entscheidende Spielwiese, auf der sie nach Lust und Laune die Fäden in Richtung Roots-Rock-Songwriting zieht. Da darf man schon mal das beliebte Attribut „dylanesk“ in die Runde werfen (zur besten Mitt-60er-Zeit), und ihre lasziven, aber hellwachen Vocals sollten Rickie-Lee-Jones-Fans dieses gewisse Kribbeln bescheren. Bei aller „Unschuld“ kommt diese Frau verdammt sexy und wissend. 4,0
DEBBIE DAVIES verneigt sich auf ihrem vierten Album „Round Every Corner“ (Shanachie/Koch) mit dem flotten „Collins Strut“ posthum noch einmal vor Ex-Arbeitgeber Albert Collins. Neben soliden Instrumentalkünsten und einer Interpretationskunst, die selbst ein „Homework“ nochmal kraftvoll entstaubt, kann sich die Gitarristin auch auf eine vielseitige Produktion und ihre kräftige Soul-Stimme verlassen. Das Bemühen hingegen, über den Genre-Tellerrand zu schauen, schlägt mit einer braven Version von Fogertys „Who‚ll Stop The Rain“ eher fehl Besser kommt Davies mit dem Lowell-Fuison-Klassiker „Room With A View“ zurecht, den vor vielen Jahren Schonjohnny Adams unsterblich machte. 3,5
Zu den altgedienten Kräften der Szene gehörten SAFFIRE – THE UPPITY BLUES WOMEN, die sich mit „Law & Uppity“ (Alligator/Edel Contraire) erstmals vor Publikum (in Alexandria, Virginia) verewigten. Das Akustik-Trio versteht sich nicht nur auf Frauenstammtisch-Stimmungsmache („Bitch With A Bad Attitude“ etc.) sowie schwesterliche Solidarität („L800.799.-7233“), kommt aber musikalisch auf Dauer doch etwas dröge daher – trotz des recht passablen Versuchs, mit Willie Nelsons hinreichend bekanntem Song „Crazy“ auch mal ordentlich „fremdzugehen“. 2,5
Für Novizen bietet sich als repräsentativer Einstieg die Compilation „Every Woman’s Blues“ mit dem Untertitel „The Best Of The New Generation“ (Shanachie/Koch) an. Fortgeschrittene freuen sich, daß neben etablierten Künstlerinnen (wie Foley, Davies, Rory Block, Zakiya Hooker) auch ein paar weniger bekannte Namen dabei sind (wie die großartige Texanerin Sarah Brown) sowie einige ganz neue – etwa Alicia mit der betörenden Akustik-Aufforderung „Love Me Like A Guitar“. Luanda Williams setzt mit dem Traditional „Going Back Home“ und Taj Mahal als Mundharmonika-Gast den würdigen Schlußpunkt. 3,0
Sensibilität für weibliche Belange kann man aber auch den Männern im Gewerbe nicht per se absprechen. LARRY GARNER beispielsweise hat mit „PMS“ einen Song über diese ganz besonderen Tage im Repertoire, die nur Frauen einmal im Monat den Blues bescheren (nahestehenden Männern mittelbar natürlich auch). Mit „Standing Room Oniy“ (Ruf-Rec.) zählt der Mann aus Baton Rouge, dessen Stimme immer noch mächtig von GospelStunden erzählt, auch nach seinem Aus bei Verve zu den stärksten Autoren der Zunft. Die ewige Klassiker-Schiene kann er sich bei eigenen Songs wie „Drivin‘ Woman“ und „Out In The Country“ getrost sparen. 3,5
Altmeister BUDDY GUY im Blues Clinch mit Jungstar Jonny Lang – das ist zumindest auf dem Papier die „Midnight Train“ betitelte Attraktion auf „Heavy Love“ (Silvertone/RTD). Nötig hat das Chicago-Aushängeschild den Herausforderer nicht unbedingt, denn die fiebrige Emphase seines Gitarrenspiels, der heisere Überschwang seines (Falsett-)Gesangs sind sich selbst allemal (und gut) genug. Zudem präsentiert sich Guy auch slow 8C akustisch in Top-Form („Did Somebody Make A Fool“!). David Z. produzierte transparent und umsichtig. Musiker wie Steve Cropper, Little Feat-Drummer Richie Heyward und Reese Wynans (Ex-Double Trouble) garantieren exquisite Begleitung. 4,0
Ist da noch Leben jenseits von Graceland-Abzocke und Beale-Street-Nostalgie? Ja, sagt der LETTER FROM MEMPHIS (Repertoire/Edel Contraire), der neben alten Größen (Donnie Fritts, Don Nix) vor allem von Lokalgrößen der Blues- und R&B-Szene abgeschickt wurde. Schleierhaft muß nur bleiben, wie sich Sonny Landreth (Louisiana) und die Radio Kings (aus Boston) auf diese Compilation verirren konnten. Oder fuhren am Ende gar alle Wege irgendwie nach Memphis? 3,0
THE THOMPSON BROTHERS BAND aus Massachusetts landete jedenfalls in Nashville, wo sich das Trio mit seinem Everly-inspirierten Country-Pop angenehm und mühelos vom Hat Act-Einerlei absetzt. Der verehrte Steve Earle war sich dann auch für ein zünftiges Duett (Willie Nelsons „Pick Up The Tempo“) nicht zu schade, und mit Bei Lloyd (Ex-Foster & Lloyd) saß der pas- sende Produzent hinterm Regiepult. Dennoch kann „Blatne It On The Dog“ (BMG) nicht ganz die Erwartungen befriedigen, die das Mini-Album „Cows On Mainstreet“ geschürt hatte. Vielleicht hätte etwas mehr Fremdmaterial ä la „Back On The Farm“ gut getan? 3,5 Als The Honkabülies gastierten sie lange im „Tootsie’s“ – und spendierten dem legendären Nashville-Laden für diesen Incognho-Service vom Trinkgeld erstmal ’ne vernünftige Klimaanlage. THE LYNNS sind tatsächlich die Twins von Women’s Lib-Ikone Loretta. Mamas Fußstapfen sind natürlich furchterregend groß, doch mit süßsaurem Roy-Orbison-Schmelz („It Hurts Me“) und sattem Honky Tonk-Twang („Crazy World Of Love“) ziehen sich Peggy und Patsy auf ihrem selbstbetitelten Debüt (Reprise/TIS) anständig aus der Affäre. 3,0