ROOTS :: von Jörg Feyer

Geduld gehört unbedingt zu den gar nicht mal so sekundären Tugenden eines Songwriters, der seinen Kopf nicht an der Garderobe wohlfeiler Fließbandarbeit abgeben will. JEFF BLACK weiß ein paar Lieder davon zu singen. Schon Anfang 1992 kursierten Demo-Versionen von „That’s Just About Right“ und „King Of The World“ in Nashville, doch mehr als das, was die pflegeleichten Country-Rocker Black Hawk später draus machten, sprang lange nicht raus. Die Tantiemenschecks dürften immerhin das Weitermachen gesichert haben für den Mann aus Kansas City, der jetzt im so autobiographischen wie allgemeingültigen „Noah’s Ark“ singt: „I hope everyone forgives me because this took a little longer than I planned.“ Eine Bitte, der nachzukommen nicht schwerfallt angesichts des glänzenden Debüt-Albums „Birmmgham Road“{Arista/ARIS), das so poetisch wie wuchtig seine Bahnen und unweigerlich in den Bann zieht. Gibt es noch einen Funken Gerechtigkeit in dieser Welt, die Black so ungnädig genau wie sich selbst und mit der Extraportion sweet regret in der Stimme seziert, dann werden Songs wie „Birmingham Road“, „Uniontown“ und der „Carnival Song“ nicht ungehört bleiben. Zumal sich Wilco (minus Jeff Tweedy) nicht zu schade waren, ein fürwahr inspiriertes Backing zu liefern, das jeden Song auch jenseits nur traditioneller Verweise punktgenau auf eine definitive Version hin abklopft. Die Optik des Schwarzweiß-Booklets entspricht dem akustischen Niveau. 4,5

R. S. Field war bisher ein wichtiger Mann der zweiten Reihe – als Produzent und Musiker für Leute, die schon alt-country waren, bevor dieses Attribut erfunden wurde: Webb Wilder, Shaver, zuletzt Jamie Hartford (siehe RS 7/98). Mit RRAF (steht für „Roots Rock Action Figures“) wagt er sich jetzt ganz nach vorn, assistiert von Gitarrist Kenny Vaughan (Kim Richey etc.).

„Calling Dr. Strang“ (Paladin/ARIS) bringt ein Wiederhören mit Songwriterin Suzy Elkins, einst Stimme der Mitt-80er-Austin-Combo The Commandos („My Baby Loves Monster Movies“), und wird mit munter-stoischem „Twangeaux“ (Songtitel) und soliden Pop-Harmomes nicht zuletzt verwaiste Flamin‘ Groovies-Fans gut in den Tag bringen. Apropos: Die legendäre Anfangszeile „I overslept this morning cause I underslept last night“ wollen wir uns für den nächsten „Check Up From The Neck Up“ (Songtitel) gern merken. Ebenso wie natürlich Jeff Blacks „We lost Jennifer to die myth of independence“. Genauso schön. Und doch ganz anders. 3,5

Der Name ALLISON ist nach dem Tod von Luther in die kollektive Erinnerung der Blues-Gemeinde eingegangen, entfaltet aber auch aktuelle Relevanz – dank Filius Bernard. Mit „Times Are Changing“ {Ruf Records) läßt der die Wiege in Chicago stehen und hinter sich mal slick, mal raw, doch stets souverän. Auch lugt der 32jährige gern mal ins Repertoire der großen Funk-Brothers Sly Stone und Johnny Guitar Watson. Und Soul-Shouter Bobby Rush läuft zum launigen Gastspiel („In The Morning“) auf. Eine fetzige Memphis-Horn-Section garantiert dabei die nötige Durchschlagskraft. Dennoch: Zu den eindringlichsten Momenten gehört die Akustik-Fassung von „Don’t Be Confused“, ein gleich zweimal serviertes Requiem für den Daddy. 3,0

Auch der langjährige Allison-Begleiter JAMES SOLBERG hielt sich nicht allzu lange mit Trauerarbeit auf bzw. setzte diese lieber gleich im Studio fort ,^A. Blues“(Ruf Records) ist dankbarer Abschiedsgruß und trotziges Überlebensstatement zugleich, getragen von seiner schneidend-aggressiven Gitarre und einer trocken schnarrenden Stimme. In ganz jungen Jahren soll Solberg mal ein Zweifamilienhaus mit dem jungen Me Zimmerman in Hibbing, Minnesota geteilt haben. Das Cover von JBallad Of A Thin Man“ hätte trotzdem etwas weniger weitschweifig ausfallen dürfen. Da nehmen wir liebet, dem Anlaß angemessen, den Gospel-Seitensprung „Just A Closer Walk Whith Thee“ mit. 3,0

Wenn der Blues einen lässigen Wiener Akzent hat, aber auch einen dezidiert kosmopolitischen Touch, dann kann eigentlich nur HANS THEESSINK dahinter stecken. Für sein 13. Album „Lifeline“ (Minor Music) konnte der Wahl-Österreicher aus Holland die Holmes Brothers, Insingizi Emnyama (aus Simbabwe), Linda Tillery & The Cultural Heritage Choir sowie Charles Brown als Gastsänger gewinnen. Daß bei all den großen Stimmen instrumentale Aspekte nicht zu kurz kommen, dafür sorgt vor allem Theessink selbst mit seiner staatlichen, im Booklet vorgeführten Saitenkollektion von National Steel und Banjo bis Mandoline, Mando und Supro. Für Yank Rachell indes hat’s nicht mehr gereicht: „Mandolin Man“, Requiem und Reminiszenz, ist dem 1997 verstorbenen Lehrmeister gewidmet. 3,0

Das Leben, die Liebe, der Blues. Zumindest letzterer ist bei einer revitalisierten ETTA JAMES in guten Händen, zumal sie das Genre auf dem selbst- und manchmal etwas schlapp produzierten „Life, Love & The Blues“ (Private Music/ARIS) als „Hoochie Coochie Gal“ (frei nach Willie Dixon) ganz im Sinne ihrer bewegten Biographie quasi genreübergreifend definiert. Was die Chess-Schülerin – trotz Marvins „Inner City Blues“ und Slys „If You Want Me To Stay“ – doch wieder bei Southern-Soul-Tragödien landen läßt, auf den Spuren von Johnnie Taylor („Running Out Of Lies“), Z. Z. Hill („Cheating In The Next Room“), Joe Tex (auch klasse: „The Love You Save May Be Yout Own“). Doch wo hört hier der Blues auf? Und wo fängt der Soul an? 4,0

Eine Frage, die auch Jonathan Fischer bei der Zusammenstellung von

„Down & Out: The Sad Soul Of The Black South“ (Trikont/Indigo) nicht restlos klären konnte. Dennoch ist dem Münchner Autor und DJ eine schöne, im ausführlichen Booklet kompetent kommentierte und analysierte Compilation mit viel Herzblut geglückt, die eingeführte Namen wie Percy Mayfield ebenso berücksichtigt wie fast (zu Unrecht) vergessene Two Singles-Wunder wie die famose Doris Allen.

Hat man das gepflegte, wenn nicht kalkulierte Hantieren mit Gefühlen im Ohr, das heute oft als „Soul“ verkauft wird, muß nicht nur ihr „Shell Of A Woman“ anmuten wie ein archaisch schepperndes Signal aus einer fernen Vorzeit wahrer Empfindung. Ungetrübt von postmodernen Versuchsanordnungen geht es hier nur ans Eingemachte und ums Wesentliche. Um Selbstbetrug und Selbstmord. Um schlechte Väter und scharfe Mütter. Um die liebestolle Frau im Motelzimmer nebenan (die sich als die eigene entpuppt) und den Bräutigam, der dann doch nicht kam, 4,0

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates