ROOTS :: von Jörg Feyer

Er muß geahnt, wenn nicht gewußt haben, daß dies die letzte Möglichkeit sein würde, sich der Welt mitzuteilen. So ist es zwar tragisch, daß der kürzlich an Prostatakrebs gestorbene JOHNNY ADAMS die Veröffentlichung von „Man Of My Word“ (Rounder/In-akustik) nicht mehr erleben durfte, aber auch ein kleines Wunder, daß der große Vocal-Stilist aus New Orleans im Frühjahr 1998 überhaupt noch ein letztes Mal zu blendender Form auflaufen konnte.

Top-Musiker (Walter „Wolfinan“ Washington, David Torkanowsky, Michael Toles) und Songwriter-Legenden (Bobby Charles, Dan Penn & Spooner Oldham) schmückten die Bühne für den letzten Vorhang. Der große Doc Pomus – Adams längst vorangegangen – soll gesagt haben, dessen Pomus-Interpretationen auf dem Album „The Real Me“ bedeuteten ihm mehr als alle Hits, die er je geschrieben habe. Und das waren ja nicht so wenige. Mit ungeheurer Leichtigkeit und Dringlichkeit zugleich zelebriert Johnny Adams unsterbliche Southern-Soul-Tragödien wie „Even Now“ und „It Tears Me Up“. Der Mann ist gegangen, seine Stimme wird bleiben. Und gehört werden. 4,5

Auch das Blues-Gipfeltreffen der Herbst-Saison fand schon im Frühjahr statt, in Boston. Dort reichten sich die (zunächst skeptische) Kalifornierin DEBBIE DAVIES, der Texaner ANSON FUNDERBURGH und der sträflich unterschätzte Engländer OTIS GRAND die Gitarren zur „Grand Union“ (Blueside/Edel Contraire) – und machen dem Titel mit viel Esprit, wenig Ego und klug integrierten Gästen (Sänger/Harpist Sugar Ray Norcia) alle Ehre. Das erstaunliche Ergebnis: eine Gitarristen-Platte, die nicht in gniedeligem Griffbrett-Fetischismus verendet. 3,5

Und Kanada hat doch mehr zu bieten als nur Shania Twain. LYNN MlLES zum Beispiel ist ein heißer Tip für alle, die es ihr zwar gönnen, aber doch bedauern, daß Shawn Colvin in die Babypause abgetaucht ist. So allein am Piano (bei „Rust“) überzeugt die vielgereiste Quebec-Songwriterin aus Sweetsburgh (das heißt wirklich so) ebenso wie mit sattem Folk-Country-Rock-Backing, wenn Greg Leisz seine Pedal Steel auspackt Auf dem zweiten Miles-Album „Night In A Strange Town“ (Philo/ln-akustik) geht auf der Suche nach der „Perfect Romance“ (Songtitel) so manche Träne auf Reisen- würdevoll, nicht weinerlich. Das lässig-sarkastische „Sunset Blvd.“ gehört in die Riege der großen L.A.-Songs. 4,0

„I don’t want to talk about Jesus, not even for a minute or two“, leiert derweil south-by-southwest JAMES McMURTRY gewohnt tonlos. „I Only Want To Talk To You“, rekapituliert einen folgenreichen Verkehrsunfall. Doch vom Car-Crash ist es auf „Walk Between The Raindrops“(Sugar Hill/Fenn) nie weit zum Identitäts-Crash, den der knarzige Texaner mit stoischem Gleichmut („Every Little Bit Counts“) und trotzigem Eigensinn („Comfortable“) abzuwenden sucht. Eine würdige Fassung von Townes‘ „Rex Blues“ beschließt sein fünftes Album, das McMurtry trotz eingängiger Passagen kaum neue Fans bringen, die alten aber lieben werden. Und „she lost her mind and she never missed it“ muß als heißer Anwärter auf den „Zweizeiler des Monats“ gelten. 4,0

Der Name Buddy Miller wird zwar wohl nie on the cover of the Rolling Stone landen, provoziert aber inzwischen glatt einen Blind-Kauf, wenn er als Produzent auf dem Cover eines Albums auftaucht Bei GREG TROOPER und seinen „Popular Demons“ (Koch) ist das Geld gut angelegt, denn der Vollbartträger aus Brooklyn erweist sich vor allem als Songwriter durchaus ebenbürtig. Buddy-Holly-Beats, Neo-Folk-Elegien, Roots-Country mit Pop-Feeling: Hier ist Bmal ein stonhip trooper am Werk. Fast überflüssig zu erwähnen, daß dazu von Duane Jarvis bis Tammy Rogers und Al Perlons nur Asse aufspielen. Und als Bonus-Track wartet Dylans „I#ll Keep It With Mine“ im Duett mit Steve Earie. 4,0

Mein Faible für den lonesome Tenor von VINCE GILL war in der Vergangenheit mancher schwerer Prüfung ausgesetzt Doch der smarte Hüne, der Country auch zum Synonym für Pop-Schlock werden ließ, hat zuletzt wieder stärker nach seinen Bluegrass-Roots gebuddelt. Und „The Key“ (MCA/Universal), fast ganz im Alleingang geschrieben, ist nun ein veritables Wiedergutmachungsstück in 13 Akten geworden. Backing-Sängerinnen wie ua. Lee Ann Womack, Shelby Lynne und Alison Krauss und ein Duett mit Patty Loveless bereichern ein schnörkelloses Old-School-Country-AIbum. Da verzeiht man es Gill glatt, daß er im Requiem für Daddy („The Key To Life“) schon mal auf Guy Clarks „Randall Knife“ zurückgreift. 3,5

„Crown Of Jewels“ (Reprise/TIS), die Solodebüt-Revue des Studio-Veteranen RANDY SCRUGGS (Nitty Gritty Dirt Band etc.), ist hingegen eine kleine Enttäuschung geworden – angesichts eines satten Star-Aufgebots von C wie Chapin Carpenter bis T wie Tritt. Wer Trisha Yearwood anheuert, sollte sie nicht im Mix verstecken. Warum der notorische Langweiler Bruce Hornsby gleich zweimal randarf, bleibt ein RätseL Und „Both Sides Now“ als Instrumental braucht auch niemand. Da müssen schon Papa Earl (mit Jerry Douglas), John Prine oder Rosanne Cashdie 3,0 retten.

Während Kelly Willis anscheinend immer noch ohne Plattenvertrag überwintern muß, kommt Gatte BRUCE ROBISON immerhin zu einer behutsam überarbeiteten Fassung seines letzten Albums „Wrapped“(SMlS).

ROOTS-HIGHLIGHTS DER LETZTEN ZEIT

JOHNNY ADAMS: „Man Of My Word“;

SOUNDTRACK „The Horse Whisperer“;

LYNN MILES: „Night In A Strange Town“

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