Roots von Jörg Feyer

Es ist nie zu spät für JOE ELY. Auch wenn diese Besprechung vielleicht ein bißchen spät kommt. Nach dem Nashville-Kompromiß „Love & Danger“ mußte der Texaner erst in seine Heimat zurückkehren, um mit altgedienten Gefährten wie Lloyd Maines, David Grissom und Ponty Bone sein grosses spanisches Album machen zu können, Flamenco-Gitarren inklusive. „Letter To Laredo“ (Castle) läßt die ungestüme Virilität seines 80er-Jahre-Werks in aufgeklärter Romantik münden – sicher sentimental und melancholisch, aber auch von einem coolen, wissenden Duktus der Altersweisheit durchdrungen. Dabei steht die ungebrochen ruhelose Aura und Verletzlichkeit des Vokalisten Ely in produktivem Kontrast zur neugewonnenen Reife als Songwriter, die ihn mit dem Titelsong oder „Ranches And Rivers“ durchaus auf ein Niveau mit dem „Tom Joad Springsteen fuhrt (der auch einmal Background singt). Auf den treuen Songschmied Butch Hancock mochte Ely dennoch nicht verzichten. Und so wird aus „She Never Spoke…“ (der ’77er-Klassiker) doch noch „She Finally Spoke Spanish To Me“. Aber „Adios“ heißt es trotzdem irgendwann. 4;0

Auf der ROSANNE CASH-Jfctrospective“ (Columbia/SMIS) sollte der Sticker „For fans only“ kleben. Die kommen mit einigen Alt-Outtakes (etwa Karl Wallingers „All Come True“) und vor allem neu eingespielten Covers (etwa Costellos „Our Linie Angel“ und Lennon/McCartneys „I’m Only Sleeping“) durchaus auf ihre Kosten, während das 13 Jahre umspannende 15-Song-Set für Neueinsteiger doch zu wenig repräsentativ erscheint. Als Alternative für diese Klientel empfehlen wir die Compilation „Hits: 1979-89“ plus „The Wheel“ (1993) für ihre Post-Rodney-Crowell-Zeit. Die Wertung 3;0 gilt deshalb nur für R.C.-Freaks wie diesen Rezensenten.

Ein großer Bahnhof für CLA-RENCE BROWN: Eric Gapton, Ry Cooder, Sonny Landreth, Leon Rüssel und ein paar (Semi-) Prominente mehr waren sich nicht zu schade, mal hereinzuschauen, als der rüstige Rentner aus Louisiana mit einer exquisit besetzten Studio-Band (Arnos Garrett, Jim Keltner) „Long Way Home“ (Verve) einspielte. Es spricht für Brown, daß er nur selten droht, unter die Räder eines vordergründig spektakulären, schnell vorbeiziehenden Star-Karusells zu geraten. So reicht das wohl ausgereizte Spektrum wieder von kauzigen Instrumentals über die Kategorie „Mean & Evil“ (Songtitel bis zu eigenwilligen Cover-Versionen von Bob Dylans „Don’t Think Twice“ (als Schunkel-Blues), „Tobacco Road“ (im akustischen Duo mit John D. Loudermilk) und „Blues Power“. 3;5

Etwas Besonderes in diesen Breiten sind B.B. & THE BLUES SHACKS. Und das gleich in zweifacher Hinsicht. Schließlich soll es hierzulande erstens nicht allzuviele Bands geben, die einen Bassisten aus Chicago beschäftigen, der mal bei Jimmie Rodgers spielte. Und zweitens erst recht nicht viele, die sich nicht unter die Knute zig-mal genudelter Klassiker begeben, sondern fast ihr gesamtes Material recht ordentlich selbst schreiben. Wer zünftig swingenden Jump-Blues mit starker Harmonika-Präsenz auf den Spuren Little Walters schätzt, ist deshalb bei den Gebrüdern Arlt und „Jive Talk, Slow Walk“ (Strumble/Indigo) an der richtigen Adresse. 3;0

Auch BILLY C. FARLOW A BLEU JACKSON haben es nicht nötig, verstaubte Song-Kataloge zu wälzen. Auf „Bitte Highway“ (Taxim/TIS) variiert das Duo die alten Bilder und Mythen des Delta-Blues kenntnisreich nach eigenem Gusto. Nebenbei beweist das Album, daß in Nashville auch anständige Blues-Platten eingespielt werden. Zumal wenn Fred James als Produzent seine Finger im Spiel hat, der gerade mit der Compilation „Time Capsule“ (Taxim/TIS) sein Trio THE SCREAMERS in den Ruhestand geschickt hat. Beide: 3;0

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