Roots von Jörg Feyer
Marcia Ball Presumed Innocent (ALLIGATOR/EDEL CONTRAIRE)
Das große Herz in Texas, die schmalen Hüften in Louisiana: Piano-Lady Marcia Ball verkörperte immer das best ofboth worlds der musikalischen Grenzgängerin. Ob sie damit bei einem reinen Blues-Label auch kommerziell reüssieren kann, muss sich erst noch weisen. Puristischer als gewohnt kommt ihr Alligator-Debüt jedenfalls nicht daher. Sonny Landreth lässt die Slide im Memphis-Soul JFly On The Wall“ heulen, Klatschtante „Louella“ wohnt gleich bei Prof. Longhair um die Ecke, „Thibodaux, Louisiana“ beschwört die Cajun-Roots, und Delbert McClinton singt im Duett Allen Toussaints „You Make It Hard“ nach Hause. Die Unschuldsvermutung im Titel wiederlegt Ball gleich mit dem reumütigen R&B „The Scene Of The Crime“; Gary Primich lässt die Harp flüstern, Stephen Bruton zeichnet als Co-Autor. Schade nur, dass die Songwriterin Marcia Ball sonst ins letzte Drittel verbannt wurde. 3,5
Hagfors Gebhardt Hickstars Trash Grass & Love Songs (STICKMAN REC. /INDIGO)
Dass das Herz von Motorpsycho auch ein bisschen für Hank und Bill schlägt, wissen wir spätestens, seit sie als The International Tussler Society auf der 99er-Compilation JFrolen – Polarized Country“ Jerry Garcias „Bird Song“ exhumierten. Als Duellin‘ Flint Gebhardt trat der Drummer der Norweger schon damals mit Banjo an. Das und dazu ein Dutzend Kleininstrumente mehr hat er auch kürzlich wieder ausgepackt, um mit Martin Hagfors (Home Groan) diese entspannte Neujahrs-Session auf maximal zwei Spuren zu spielen. Der erste Teil des Albumtitels weckt dabei insofern falsche Erwartungen, als sich kuriose Klang-Aspekte doch stets dem bemerkenswerten Songwriting des Duos unterordnen: importierte Tradition schön eigensinnig weitergesponnen. Und singen können die auch noch! Ach, wie gern würden wir diese „Country Chris“ mal kennenlernen. Ein wichtiger Nachschlag zur Norwegen-Saga im letzten Heft. 4,0
Shaver The Earth Rolls On iblue rose)
Wieviel kann einer wegstecken, bevor er selbst den Kopf in den Sand steckt? Eine Frage für Ur- und Ewig-Outlaw Billy Joe Shaver: Gattin Brenda ging schon 1999 von dieser Erde, Sohn Eddy folgte an Silvester 2000 aus heiterem Himmel: „The Earth Rolls On“ ist ein Requiem für beide geworden, bewusst-bewegend für Brenda („Hearts A‘ Bustin“), ahnungslos für Gitarrist Eddy, der hier all over the place ist, mal twangy, mal bluesy, und sich nicht nur mit einigen Soli (Titelsong, „Evergreen Fields“) in alle Ewigkeit spielt Mit dem prophetischen „Blood Is Thicker Than Water“ schafften Vater und Sohn gerade noch das erste und jetzt auch einzige Duett Ab Musiker halfen Ken Coomer und Jay Bennett (Wilco) sowie E-Street-Bassist Gary Tallent, Ray Kennedy (Twang Trust) sorgte für Röhrenmikros und den rustikalen Analog-Mix. Den Schicksalsschlägen trotzend, verströmt „The Earth Rolls On“auch eine heiter-optimistische Note, mit „Love Is So Sweet“ und“HardHeadedHeart“, vor allem mit den klassischen Road-Stories „New York City Girl“ und „Leavin‘ Amarillo“. Es können ja auch nicht alle einfach so abhauen. 4,0
Maxineweldon Call It Love cpark rec/fenn)
Jedem wahren Songwriter sollte vor dem Ableben die Gnade ihrer Interpretation vergönnt sein, notierte schon 1974 kein Geringerer als Kris Kristofferson auf der Hülle ihres Monument-Albums „Some Singin'“. Damals sang Maxine Weldon sein „Nobody Wins“, heuer bringt sie JBor The Good Times“ auf Country-Soul-Touren. Doch was sagt Bob Dylan, sollte ihm „Fll Be Your Baby Tonight“ als VaudeviUe-Nummer zu Ohren kommen?3,0