Rush – Snakes & Arrows
Alex Lifeson hat es geschafft. So kann er getrost alt werden. Ganz selten spielt er mal ein herkömmliches Solo, und dann ist das alles andere als das obligatorische Heldengitarrenstück, sondern zurückhaltend, schon beinahe schüchtern, sich an Melodiestrukturen abarbeitend – und trotzdem hört man die Größe dieses Gitarristen fast in jedem Song, seinen spielerischen wie klanglichen Variantenreichtum, seine technische Finesse, die sich schon lange nicht mehr in Noten pro Minute messen lässt.
Die dichten, collagenhaften, immer etwas undurchsichtigen, aber doch auch melodisch nachvollziehbaren Kompositionen lebten immer schon von seinen verschachtelten, sich überlagernden Gitarrentracks, aber so sehr integriert in die Songs wie in diesen 13 neuen Kompositionen, davon immerhin drei Instrumentalstücke, war das noch nie. Lifesons Gitarre ist der Song. Sonst hat sich eigentlich nicht viel getan, Geddy Lees auch nach der x-ten Doppelung dünnes Stimmchen glaubt weiterhin mit Inbrunst an die verstiegenen, enigmatischen Lyrics Neil Pearts, und dessen geschmackvolles, moderat synkopiertes Rhythmusspiel liefert einmal mehr eine vitale Basis für diese Rock-Suiten.
Man mag das Rush-Songwriting manieriert finden, aber anders als bei den meisten Progrock-Epigonen, die allesamt Rush in ihrer Ahnenreihe führen, geht es hier wenigstens nicht um ostentative Virtuositätsbeweise, die die Musik zur instrumentalen Olympiade degradieren. Bei Rush war es stets anders herum. Spielerische Akkuratesse ist nur Mittel zum Zweck, die Voraussetzung, um eine gewisse strukturelle Komplexität in einem Rocksong zu etablieren. Und wenn das dann auch noch bruchlos zusammengeht mit schlichter, unprätentiöser Eingängigkeit wie in dem harten, energetischen, einfach fulminanten Instrumental „The Main Monkey Business“ oder dem rhythmisch abgewichsten und doch ansprechend geholzten Opener „Far Cry“ oder dem schön schwerblütigen „Armor and Sword“, dann würde ich im Zweifelsfall eben doch immer Rush nehmen – anstatt Dream Theater, zum Beispiel.