Sandy Denny – Sandy
Da mochte man bei Island Records offensichtlich doch nicht hintanstehen und reicht nach der wunderbaren Werkschau „A Boxful Of Treasures“
jetzt auch die schon vor fünf Jahren in Amerika bei A&M unter dem Titel „No More Sad Refrains“ erschienene Retrospektive nach – 34 Aufnahmen von der gerade mal 18 Monate dauernden Fairport Convention-Ära über das kurze Fotheringay-Interregnum bis zu den Solo-Jahren. Das ist – obwohl die übliche Rosinenpickerei – gar keine so schlechte Einführung in ihr Schaffen. Ein paar Raritäten wie die als The Bunch veröffentlichten Cover-Versionen von Buddy Holly– und Everly Brothers-Songs sowie ein paar Demos gibt es hier auch. Aber ein Ersatz für die Originalplatten kann und will die Doppel-CD nicht sein, auch keiner für die neu remastered aufgelegten vier „Solo“-Longplayer. (4)
Die waren bekanntlich niemals Solo-Platten im strengeren Verständnis, denn ihre Produzenten verpflichteten für die Sessions als „Handlanger“ alte Bekannte aus früheren Jahren (und Bands) und ausgewiesene Cracks der Folk-Szene. Über Gelingen und (relatives) Mißlingen entschied da folglich die Alchemie zwischen den diversen Begleitmusikern (die halt nicht immer stimmte), vor allem aber die Frage, für was für ein Arrangement sich besagte Produzenten entschieden hatten.
Wenn David Suff in den Liner Notes zu „The Northstar Grassntan And The Ravens“
(3,5) das Debüt als ein „flawed masterpiece“ bezeichnet, dessen Schwächen man mit den Jahren und Jahrzehnten nicht mehr ganz so streng sah, meint er damit, daß hier grandiose Aufnahmen („Late November“, der Titelsong und natürlich ihr Cover von „Blackwaterside“) neben nicht ganz so restlos geglückten wie der von „Down In The Flood“ standen. Da wie auch bei anderen tendiert man ganz selbstverständlich dazu, die an voraufgegangenen Glanzleistungen auch und nicht zuletzt den Dylan-Covers! – zu messen. Bonus-Tracks der allerfeinsten Webart zu bieten, fiel da nicht schwer (vier in diesem Fall). Denn Raven, Hannibal, Rykodisc, Fledg’ling und Island selbst hatten viele solcher Raritäten ausgegraben, die hier als Zugabe auftauchen.
Auf „Sandy“ sind da unter anderem ihre französischsprachige Version von „Listen, Listen“ (wunderbar), das live mit Fairport Convention musizierte „It’ll Take A Long Time“ und die Elegie „Here In Silence“, Songmaterial, für das sich jemand da oben diese Stimmen ausgedacht haben muß – wie auch für die zweite Solo-Platte. Von allen kam die dem Ideal eines schlackenlosen Meisterwerks am nächsten. Folk-Puristen durften ihre interpretatorische Leistung bei „Quiet Joys Of Brotherhood“ mit denen der großen Annie Briggs vergleichen.
Ein Schmankerl für Fans gibt es auf der dritten CD,“Like An Old Fashioned Waltz“ (3), nämlich einen unveröffentlichten Live-Mitschnitt des Titelsongs aus dem Troubadour in L. A. vom Februar 1974. Daß sie da von Fairport Convention begleitet worden wäre, wie im Kleingedruckten behauptet, ist Nonsens. Da begleitet sie nur sich selber am Piano, und niemand dürfte hier die Streicher vermissen, die beim Studio-Original noch üppiger anbranden, als wenn Paul Buckmaster die arrangiert hätte.
Viel zu viel von solchen Streichern gab es bei manchen Aufnahmen von „Rendezvous“ (3)unnötigerweise, wie das Demo von „I’m A Dreamer“ beweist, jetzt Bonus-Track mit Sandy solo am Klavier. Sich bei „Gold Dust“ von Joni Mitchells „The Hissing Of Summer Lawns“ inspirieren zu lassen, mit „Candle In The Wind“ auf Mainstream einzuschwenken oder es mit konventionellen Rock-Arrangements zu versuchen, waren keine genialen Einfälle von Ehemann und Produzent Trevor Lucas. Alle Exzesse der letzten vier Jahre hatten diese Stimme nur minimal beschädigen können, wie „Still Waters Run Deep“ – B-Seite der Single mit dem Elton-John-Cover und eine von fünf Zugaben hier – belegt. Und wer die Raritäten der ^4tttc Tracks 1972-1984″ nicht kennt, darf sich hier über das tapfer von ihr gesungene „Easy To Slip“ freuen. Das ist eine schöne Hommage an Lowell George und die Band hinter ihr alles andere als übel! Freude bereiten allemal auch die prima Neuüberspielungen.