Scott Walker

Classics & Collectibles

Ein Doppel-Album mit altbekannten Songs und Verstreutem Sogar in der Musikindustrie ist es ohne Beispiel, was Scott Walker von seiner Plattenfirma angetan wurde – aber auch, was er sich selbst angetan hat. Es gab ein Album „Scott Sings Songs From Hin TV Serien“ (und es gab die Fernsehsendung bei der BBC!), und zwar im selben Jahr, in dem er das hermetische „Scott 4“ mit eigenen Songs veröffentlichte. Die drei vorangegangenen „Scott“-Alben waren Bestseller, das vierte erreichte 1969 nicht einmal die Charts. 1970 sang Scott Engel auf „Til The Band Comes In“ mit Esther Ofarim „the second side of ,Til The Band Comes In“ wurde 30 Jahre später von Pulp in „Bad Cover Version“ als Beispiel für eine solche angeführt (Scott Walker produzierte das Stück übrigens). Der Künstler beugte sich nach „Scott 4“ laut Liner Notes von Paul Howes dem Wunsch der Plattenfirma und nahm „safe MOR material“ auf.

Damit ruinierte Walker in den 70er Jahren seine Karriere, bis er 1979 wieder mit den falschen Brüdern zusammentraf, die offenbar ähnlich verzweifelt waren wie er selbst. Statt wie schon mehrfach bewußtlos den üblichen Schnulzen-Schmarren zu singen, produzierten die Männer alptraumhatte Szenarios wie „The Electrician“. Die Platte „Nite Flights“ und Scott Walker wurden das, was man bald „Kult“ nannte. Kaum jemand kauft seine Platten, die seitdem in Abständen von zehn Jahren erscheinen sie sind eine Sache des Mäzenatentums geworden. Alben aus den frühen Siebzigern „Any Day Now“, „The Moviegoer“ werden nicht wieder aufgelegt, es gibt abenteuerliche Compilations (Anthologien mag man sie nicht nennen) wie „The Early Ten Years“, „Looking Bad With Scott Walker“, „Boy Chud“, dazu lumpige Walker Brothers-Kopplungen. Während diese Ramsch-Platten also auf den Wühltischen liegen, ist Walkers Spätwerk nur einem Zirkel von Exzentrikern und Opern-Fanatikern zugänglich. Demnächst erscheint das natürlich vollkommen opake Werk „The Drift“. „Classics &r Collectibles“

ist einerseits wiederum eine Zusammenstellung der wohlbekannten Brei-Adaptionen und der berühmtesten Engel-Kompositionen aus den späten Sechzigern: „If You Go Awav“, „Mathilde 1“, „Jackie“, „Next“, „Such A Small Love“, „Plastic Place People“, „Rhymes Of Goodbye“. Sogar zwei Walker Brothcrs-Stücke, „In My Room“ und eine Fassung von „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“, sind zu hören.

Es ist nur ein kleiner Schritt zu den „Collectibles“, darunter viele Songs aus dem Wunderjahr 1969, fast alle bis 1973 erschienen, einige auf Soundtracks oder von ihnen übernommen: „The Go-Between“, „The Fox“, „Les Mans“, „The Godfather“ („Speak Softly Love“, das im Film Al Martino singt). Walker überschreitet die Kitsch-Grenze nach beiden Seiten, fängt plötzlich das Kolorit der Zeit ein, klingt dann wieder vollkommen veraltet; die Orchester-Arrangements sind noch immer wunderbar üppig („We Could Be Flying“, „I Have Dreamed“, „That Night“), man hört Easy Listening, das damals niemand hören wollte, spürt bei Randy Newmans „Cowboy“ das Bemühen um Tiefe, wie sie Scott mit den Brei-Liedern gelungen war.

Der Bariton aber strahlt gerade da, wo die Lieder seifig und kitschig werden: „The

Gentle Rain“, „When The World Was Young“, „A Face In The Crowd“. Den Songs von Newman konnte er nichts geben, was Harry Nilsson und der Autor selbst nicht angemessener vollbracht hätten. Aber bei den richtig fiesen Schnulzen und Schmachtfetzen war Scott Walker der einsame Meister, dessen trauerumflorter, jungmannhafter Schmelz durch den dicksten Käse schnitt. „I Still See You“ und „Loss Of Love“ etwa, Stücke der schwelgenden Reue natürlich („I see shattered lights…“), des Verzehrens und der Selbstgeißelung, (universal)