SCREAMIN’JAY HAWKINS – At Last :: LAUTSPRECHER/INDIGO

Amerikas bigotte silent majority hat eine Sorge weniger, und der Vorstand des Dachverbandes der US-Bestattungsunternehmer, der seinen Mitgliedern verbot, diesem Zombie einen Sarg zu verkaufen, darf erleichtert aufatmen, denn nach über 40 Jahren Live-Präsenz mit einer Show von der Marke „Voodoo meets Gruselkabinett“ bleibt besagter Sarg endgültig zu und daheim im Keller. Auch all die Gummischlangen, Schrumpfköpfe und Wildschwein-Hauer fanden ihre letzte Ruhe – in der Mottenkiste. Jalacy Hawkins, einst von DJ-Legende Alan Freed zu diesem makabren Bühnen-Mummenschanz animiert, hat unlängst einen radikalen Imagewechsel vollzogen. Gott sei Dank aber nur in puncto Optik.

Der Mann, der seinem Ruf als „the wildest rock’n’roll act ever“ mit jeder Show gerecht wurde, der Alice Cooper, Arthur Brown und Marilyn Manson auf die Idee mit dem Geisterbahn-Look brachte und der dank hunderter Coverversionen (u. a. von Nina Simone, Alan Price und Creedence Clearwater Revival) seines ’56 im Suff aufgenommenen Monsterhits „I Put A Spell On You“ finanziell auf der sicheren Seite sein dürfte, ist auf „At Last“ ganz der alte. Trotz seiner fast 70 Jahre schreit und rappt er sich durch seine 12 selbstverfaßten Songs und verpaßt zu guter Letzt noch Marleys „I Shot The Sheriff“ eine Screamin‘ Jay-Frischzellenkur.

Fans großer Sangeskünste kann man dieses Album sicher nicht empfehlen, doch wer auf vertonten Irrsinn steht, der landet einen Treffer der Güteklasse 1A. Doch bei den Aufnahmen ließ Hawkins den Madman in jeder Hinsicht vor der Studiotür: Eingespielt wurde das Werk in der Hit-Schmiede von Sam Phillips in Memphis, der Produzent war Jim Dickinson (u. a. Bob Dylan und Calvin Rüssel), und unter den Studiomusikern finden sich so illustre Gestalten wie Memphis Slim sowie David Hood und Roger Hawkins, letztere als Muscle Shoals Rhythm Section (u. a. Aretha Franklin, Arthur Conley, Traffic, Bob Seger, Paul Simon) zur Legende geworden.

„At Last“ ist ein weiteres einzigartig schräges Album des genialen Exzentrikers, der zwar ruhig in Paris sein Leben genießt, aber noch dermaßen im Saft steht, daß zu befürchten ist, daß er seine Fuzztones wieder aktiviert, um noch einmal brüllend laut über die Menschheit zu kommen. Und ihr zu zeigen, wo auch ohne Sarg, Totenköpfe und Schlangen der Show-Hammer wirklich hängt.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates