Sebadoh – Harmacy :: City Slang / EFA

Und sie sind doch eine richtige Band! Sebadoh können sich noch so sehr als Verfechter des Lustprinzips präsentieren, die ihren Launen in zig Nebenprojekten (Deluxx, Folk Implosion) freien Lauf lassen oder in aberwitzigen Zusammenschlüssen eben dieser Nebenprojekte (Deluxx Folk Implosion) – der stets nonchalant von Lou Barlow aufs Cover gekrakelte Band-Schriftzug ist inzwischen eine etablierte Handelsmarke. Für Sebadoh gehörten die Lässigkeit ihrer Musik und die Nachlässigkeit in der Vermarktung immer zusammen, was sie nicht davor schützte, jetzt in eine Position aufzurücken, vor der sich Lou Barlow seit seinem Ausstieg bei Dinosaur Jr. stets etwas ekelte: Superstars des Indie-Rock.

So läuft es jedoch, wenn begabte Hänger hyperaktiv sind. Sebadoh haben keine Technik, aber die beherrschen sie perfekt Aus dem Zufall erwächst Ordnung, aus Chaos wird Wissenschaft. Und aus einem defekten Apothekenschild die Disziplin des Leiden: Auf dem wie immer reizenden Cover des neuen Albums sehen wir eine Apotheke, an dessen Schild der erste Buchstabe abgefallen ist – so wird „Pharmacy“ zu „Harmacy“. Sicher, dies ist ein fürchterlich plakatives Wortspiel, es paßt aber perfekt ins Bild des Trios, das schamloses Sentiment zwischen anarchischem Noise plaziert.

Die Arbeitsteilung, die von Sebadoh über die letzten beiden regulären Alben entwickelt wurde, hat sich auf „Harmacy“ endgültig etabliert. Schon deshalb müssen wir jetzt von einer richtigen Band sprechen. Der Antagonismus zwischen den Songwritern Lou Barlow und Jason Loewenstein, diesen Kapazitäten in Sachen Kummer, wurde in eine feine Balance gebracht. Mal kommt der Schmerz als Pop, mal als psychotischer Lärm daher. Hier die wohltemperierte Desillusionierung von Barlow, dort die aufreibende Verzweiflung Loewensteins. Der eine singt für „Ocean“, dem melodischen Höhepunkt des Werkes, zu allerliebst bimmelnden Akkordfolgend über das Kommunikationsproblem zwischen den Geschlechtern: „I hesitate to say that you’re a liar/ I never teil the truth myself.“ Der andere schreit in „Mindreader“ zum gleichen Thema mit dem überdrehten Duktus eines jungen David Byrne: „Look baby I ain’t extrasensory/ You can’t reach me with your telepathy.“ Und während Barlow mit sich selbst in ständiger expliziter Zwiesprache steht, bringt Loewenstein seine Zweifel in „I Love To Fight“ auf eine kurze Wortfolge: „Anger, confusion, illusion, bullshit.“ Sebadoh stehen immer kurz vor dem Auseinanderplatzen, aber so haben sich viele gute Bands über die Jahre gebracht.

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