Shannon Curfman – Loud Guitars, Big Suspicions :: Der Lolita-Effekt: eine 14-Jährige singt den Blues und covert Klassiker
Der Trend zur Göre macht selbst vor dem Blues nicht halt. Was ja vielleicht gar nicht so schlecht ist in einem Genre, das vom ganz realen Wegsterben seiner alternden Protagonisten bedroht ist, in dem schon Novizen jenseits der 40 als „Youngster“ abgefeiert werden (siehe Keb‘ Mo). Als fruchtbares Terrain der Erneuerung tun sich jedoch weder Mississippi-Delta noch windy city Chicago hervor, sondern ein Kaff in North Dakota, das im gleichnamigen Film der Coen-Brüder unsterblich wurde und uns bereits einen – hier gastierenden – Jonny Lang bescherte.
Da steht es also, Fargos jüngstes Präsent an die Welt, 14 Jahre jung, und kann nicht anders. Der Lolita-Effekt. Doch Stiefel, Netzstrümpfe, Pailetten-Top, kaum verhüllt, wollen noch nicht so recht passen zum skeptisch-scheuen Blick aus braunen Augen unter roter Mähne. Und drinnen, im Booklet beim Blick zurück über die Schulter, sieht sie aus wie 12: noch nicht mal Kind-Frau. Einfach Mädchen. Diese Ambivalenz sucht Shannon Curfman auch mit lauten Gitarren zu bannen, vor allem aber mit einer erstaunlichen Stimme, die ebenso voreilige wie schmeichelhafte Vergleiche provozieren muss. Keine Namen, bitte. Das Repertoire kann da noch nicht mithalten: Breitband – geschüttelt, nicht gerührt. Curfman covert Sheryl Crow („Hard To Make A Stand“) und The Band („The Weight“), ohne sich zu blamieren. Blues-Rock-Freunde werden anständig bedient, es ist ein bisschen funky, versinkt auch mal im Mainstream-Sumpf. Nur Puristen kommen kaum auf ihre Kosten, am ehesten noch mit dem halbakustischen Shuffle „No Riders“.
So weit, so anständig. Nur mutet es doch reichlich kurios an, wenn Curfman vehement die „True Friends“ beschwört, die sich erst in der Not zeigen werden. Ein 14-jähriger Teenager macht sich für gewöhnlich Gedanken um andere friends. Und ist erst recht nicht so altersweise, wie es „Never Enough“ suggeriert. Im Hendrix-Tribute „Playing With Fire“, den sie ausgerechnet mit den Garth-Brooks-Handlangern Kirkpatrick, Sims, Kennedy verfasste, bringt Curfman ein Credo emphatisch auf den Punkt „Who’s that creeping taking ahold of my hand, who’s that moving through my veins? Must be spirits of those who’ve gone before…“