Shelby Lynne – Suit Yourself
Die Heimkehr der Shelby Lynne, Teil zwei. Nach dem von Glen Ballard grausam verstümmelten „Lone, Shelby“ und ihrer bekannten Orientierungslosigkeit aus alten Nashville-Tagen war klar: So konnte und sollte es bitte nicht weitergehen. Der Wechsel zu Capitol tat Shelby Lynne hörbar gut, auch wenn das erste Album dort „Identity Crisis“ hieß. Der Katharsis nächster Schritt scheint nun eine nochmalige Reduktion zu sein. „Suit Yourself“, von Lynne wieder ganz allein produziert, klingt vorwiegend nach einem nachdenklichen Mädchen, das seine Tagebucheintragungen bar jeder Träumereien niederschreibt und sich selber wärmen muß, weil niemand da ist Anfangs hören wir kurze Diskussionen zwischen Shelby und der Band, dann wird der erste Take vergeigt und der zweite energisch und mit Schmackes zu Ende gebracht Lynne ist immer wieder bemüht, das Ursprüngliche und Ungekünstelte zu betonen. Das Studio als Wohnzimmer, als Ort des Vertrauens, zu dem nur die wahren Freunde Zutritt haben. Fast wie Boris Becker damals in Wimbledon.
Musikalisch sind die Songs dementsprechend ohne Pomp und Schwarte, zumeist wird die Akustische bemüht, ab und an gibt es Unterstützung durch eine Pedal-Steel, oder die Band sattelt wie beim Opener „Go With It“ kurzfristig auch mal die Pferde. Das bluesige „You’re The Man“ und das Manifest „I Won’t Die Alone“ zählen zu den Pluspunkten, das beste Stück aber kommt vom Swamp-Rocker Tony Joe White. „Old Times Sake“, ein versöhnlich-zärtlicher Rückblick, klingt gerade aus dem Munde der vom Schicksal weiß Gott nicht verschonten Shelby Lynne ergreifend. Und auch die Interpretation von „Rainy Night In Georgia“ gelingt. Ein Blick auf das Cover zeigt die Sängerin mit Kippe und Gitarre, der Blick müde und leicht zänkisch, man vermutet einen versteckten Revolver im Stiefel. Doch mit „Suit Yourself“ dürfte sie nun endgültig zu sich gefunden haben. I am Shelby Lynne, indeed.