Short Cuts :: von Birgit Fuss & Joachim Hentschel

The Moldy Peaches (ROUGH TRADE/SANCTUARY)

Trauen Sie sich, die Moldy Peaches eine Popgruppe zu nennen! Das Duo aus New York (im Bugwasser der mighty Strokes ans Tageslicht getaucht) tut scheinbar alles, um Underground und Novelty und unverkäuflich zu sein: nimmt mit dem Kassettenrekorder auf, zwängt 19 Songs auf eine Dreiviertelstunde, musiziert wie in der Puppenstube. Die kompakte Poesie dieser Band passt aber in jede High-Street-Hosentasche – „“I’m running out of ethnic friends“, „“Everyone had a Duran Duran boyfriend but me“ -, die Melodien wollen berühmt werden. Elektrischer Folk ist das, der aus dem Kanaldeckel zum Himmel strebt, obszön und zärtlich. Die Ideen, die man beim Trinken auf Zettel schreibt und gewöhnlich am nächsten Morgen belächelt Erfahrungsgemäß sind das meistens die besten. 4,0

Ashley Jay – Only When (AGR/Universal)

Ashley Jay ist 17Jahre alt und wuchs in Kalifornien auf. Mit sechs wurde sie „Miss Western States“, weil sie so schön singen kann. Heute hat sie einen Produzenten, der bei Disney angestellt ist. Nach country credibility klingt das nicht Und doch: Wie ein Püppchen wirkt AshleyJay nicht, eher wie eine Frühvergreiste, weil man ihr so viele altkluge Sätze auf den Leib geschrieben hat und der Sound ihres Albums so brav und hausbacken ist. Als neue Faith Hill kommt sie damit bestimmt nicht durch. 1,5

Sasha – Surfin‘ On A Backbeat(WEA)

Der macht jetzt Rock, wurde behauptet, aber das stimmt natürlich nicht. Sasha, Lieblings-Schwiegersohn der Nation und noch ein bisschen sympathischer als Kai Pflaume, hat auf „“Here She Comes Again“ und einigen anderen Songs zwar ein paar härtere Gitarren dabei, bleibt aber beim Pop – bei gefälligem, gar nicht dummen Pop übrigens. Mal schaut er sich ein bisschen Sex-Appeal bei George Michael ab („“Blown Away“), mal verlässt er sich auf allzu einfach gestrickte Hit-Muster. Aber singen kann er akzentfrei und ungekünstelt, und das ist ja schon was in diesen Zeiten. 2,5

Math and Science (BRICK RED RECORDS/IN-AKUSTiK)

Noch einer, der seine eigene Band ist. John Wolf aus Indianapolis leistet dabei wenig Widerstand gegen die Konfliktscheue seiner Lieder – die Windbeutel-Pop-Variante, Lightning Seeds und so. Immerhin ist der Zungenschlag leicht zynisch. 2,0

Samba – Kommando (Blickpunkt Pop/EFA)

Endlich doch noch sowas wie deutscher Soul. Versteckt unter unvorteilhaften Frisuren, zu larmoyant zum Arschwackeln. Ausgerechnet von Samba aus Münster, die Sony vor sechs Jahren als Bolz-Kapelle gegen die rührenden Hamburger Teams Blumfeld und Tocotronic losschickte. Die verpasste Tingel-Tangel-Zeit holen sie jetzt nach und erreichen auf der vierten Platte musikalische und textliche Relaxtheit: glitschende Gitarren, sanfter Stomp, Jungschöre, Ohrwürmer. 3,

Tegan and Sara – This Business Of Art (VAPOR/WEA)

Im Morissette-Institut für postfeministischen Schweinerock wollen die kanadischen Zwillinge sicher keine Mitglieder sein, die Aufnahmeprüfung haben sie hiermit aber bestanden. Die Wut klingt geborgt, der Band ist es hörbar schnuppe, dass die zwei schön singen. 2,0

Locust – Wrong (Touch/EFA)

Mark Van Hoen hat wenig Zeit zum Liederschreiben, weil er viel am Sägezahn-Analog-Synthesizer umherforschen muss. So trägt sein neuer Beitrag zum kurzförmigen Elektro-Pop mit ätherischem Frauengesang eine individuelle, organische Klangmarke, kaum abgegriffen. 3,0

Jeanette – Delicious (POLYDOR)

Sie sollte „unsere deutsche Britney Spears“ werden, und nach dem lässigen „“Go Back (To Your Mum)“ hätte man das fast geglaubt. Nun hat sich Brit allerdings als Lustsklavin geoutet, und da kommt Jeanette Biedermann nicht mehr mit. Sie bleibt bei beliebigen Popsongs, die meistens von grottigen Beats verschandelt werden und selten so cool und sexy klingen, wie sie wohl gedacht waren. 1,5

Pop You (Like A Hurricane) – (HOBBY DELUXE/ INDIGO)

Top-Ten-Hits für eine bessere Welt, so charakterisiert die Redaktion des Fanzines „“Pitti Platsch 3000“ sinngemäß ihre Compilation mit ungesignten Bands. Was insofern nicht richtig ist, dass solche Musik seit den Neunzigern längst in den Charts ist – obwohl die bayrische Band Atomic Oasis besser spielt als Oasis selbst. 21-mal entzückender Pop, live aus den Indie-Pop-Wohnzimmern von ganz Deutschland. 3,0

Al Stewart – Down In The Cellar (EMI)

Nur das nonchalant angereichte After-Eight-Blättchen fehlt. Es wäre auch hübsch gewesen, wenn AI Stewart zur geschmäcklerischen Weinkeller-Themenplatte mit Pfeife posiert hätte. Aber mein Gott, der Mann geht auf die 60 zu, hat ausreichend über Petting und den spanischen Bürgerkrieg gesungen und schafft es immer noch, großartig lyrisch zu abstrahieren und assoziieren. Zum getäfelten Dinnertable-Pop zupft Produzent Laurence Juber die Gitarre, bei Bert Jansens „“Soho“ liefern sich die zwei Herren sogar ein feuriges Duell. 3,5

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