Short Cuts von Peter Lau und Seymour Glass

FORMIDABEL

Cake sind wieder da – in Gestalt von SAM PREKOP. Nicht ein Jota hat sich verändert an den wundermilden Instrumental-Exkursionen des Feinmechanikers. Mit Josh Abrams, Chad Taylor, Archer Prewitt und Jim O’Rourke laubsägt Prekop einzigartig schwerelosen Schönklang, der zwar komplex ist wie Jazz, aber überhaupt nicht angestrengt Sommertage auf der Holzveranda am Meer, Klinik unter Palmen. „Sam Prekop“ (Thrill Jockey/ EFA) kommt aus Chicago, Illinois.

Das vierte Album von FUNNY VAN DANNEN sollte die Diskussionen über den Berliner Schriftsteller, Maler und Songwriter endlich auf die richtige Ebene bringen. Wer fragt, ob die Lieder des ehemaligen Lassie-Singers-Mitgliedes Schlager sind, Comedy oder Protestsongs, beziehungsweise ob dieses oder jenes Stück blöd, kitschig oder genial ist, sollte diese Fragen auch an die Gedichte Erich Kästners stellen. Denn der rührige Familienvater steht zwischen Ringelnatz und Helge Schneider, also ganz oben im deutschen Unterhaltungskultur-Olymp. Auf „Uruguay“ (Trikont) überbrückt er wieder überzeugend die endlose Weite zwischen Liebeslied („Killing Me Softly pfeifen“) und sozialer Reportage über das reisende Management-Proletariat („ICE“). Mit Witz, Kompetenz und Gitarre zeigt er: Die Wahrheit ist eine einfache Sache.

Vor ein paar Jahren wäre „Doob Doob O’Rama“ (Normal/Indigo) noch die größte anzunehmende Obskurität gewesen, doch jetzt ist es der Sound zur Zeit: Songs aus alten indischen Filmen sind gerade nicht nur in Londoner Hip-Zirkeln angesagt. Es ist aber auch zu schön: Hysterische Sänger trällern sich über wirbelnden Tabla-Rhythmen durch Collagen aus Surf-Gitarten, Sixties-Pop und Psychedelica. Bunt wie eine Sixties-Action-Komödie und genauso unterhaltsam.

Ähnlich aufregend geht es auch auf „French Cuts“ zu. (Hobby Deluxe/Indigo)Die französische Popmusik der späten 60erJahre zeigt sich auf dieser Compilation als wilde Wiese, auf der Fingerschnipp-Pop, fetter Tanzflur und knallige Gitarrenmusik fröhlich wuchern. Bizarre Klänge (Electronic & Sitars), saftige Grooves und essentielle Themen (Sex & Drogen) lassen erahnen, wozu die französischen 68er-Straßenkämpfer nach Feierabend tanzten. Einige Superstars wie Brigitte Bardot, Nino Ferrer, France Gall und Jaques Dutronc sind übrigens auch dabei. Und gegen „Erotica“ von Rita mutet der alte Stöhnklassiker „Je t’aime“ geradezu katholisch an.

Wenn eine Gruppe mit drei EPs zum bekanntesten „Geheimtip“ Englands wird, vermutet man natürlich eine hinterhältige Vermarktungsstrategie. Doch weit gefehlt: THE BETA BAND hat sich den Ruhm redlich verdient. Auf „The Three EP’s“(EMl) rollen Gitarre, Baß und Schlagzeug in Kornkreis-Formationen durch groovigen Psycho-Gitarren-Pop. Für die abwechslungsreichen Arrangements greift das eigentlich akustische Quartett auch mal auf etwas Elektronik zurück, und auch sonst ist alles drin, was vier Spinnern halt so einfällt. Englische Exzentrik in höchster Qualität, wie sie sonst nur Julian Cope produziert.

AKZEPTABEL

Ein recht komischer Kauz aus Belgien bastelt sich den Pop, wie er ihn will: Piet Goddaer alias OZARK HENRY ist ein Künstler alten Typs und entwirft Sounds aus Synthesizer und Orgel, die für Club wie Disco taugen. „This Last Warm Solitude“ (Double T/Sony) vermengt auf angenehm anachronistische Art Fake-Reggae mit Computer-Melancholie und Samstagabend-Schwof. Leider hat der Theatermusiker uns wenig zu sagen, zum Beispiel dies: „Elvis Is Dead“.

Die Platte für harte Tage kommt aus Berlin: Auf „Irgendwas ist immer“ (Flittchen Rec/EFA) wandert BRITTA, die Band der ehemaligen Lassie Singers-Sängerin Christiane Rösinger, durch die Täler der Melancholie und Ernüchterung. Frühjahrsmüdigkeit, Sommerloch, Herbsttraurigkeit und Winterdepression sind das Bühnenbild für „Mein Leben als Hund“, das „Unglücklich“ in „Die neue Bitterkeit“ führt. Klar, daß solche Titel nach dem getragenem Tempo der Ballade schreien, und auch klar, daß dieses Schleich-Rock-Album ein Klotz am Bein ist, wenn nicht gar ein Mühlstein am Hals. Zugleich wirken die Lieder aber in ihrer Ballung (und mit ihren winzigen Lichtblicken) erstaunlich entschlossen und ehrlich.

Noch ehrlicher ist MEIRA ASHER, dafür aber auch fast unhörbar: Die israelische Musikerin zeigt mit „Spears Into Hooks“ (Crammed/EFA) mal den Freunden brettharter Akustik, wo der Hammer hängt Ihre Elektronik-Oper nervt, wenn quälender Lärm zu offensichtlich nerven soll, weil das an blöde, provokante 80er-Noise- und Industrial-Bands erinnert. Meist ist ihre Musik aber ein recht respektabler Mix aus Krach, Folk, Elektro-Rhythmen, Opern-Bits und Sample-Collagen, der sehr individuell jenseits jedes Trends oder auch nur Stils liegt.

Sonja Sohn langweilt sich wahrscheinlich nie. Diese New Yorkerin putzt als Slam-Poetin die Bühnen, hat gerade ruhmreich im Gefängnisfilm „Slam“ als Hauptdarstellerin debütiert und stellt jetzt auch noch ein Musikprojekt vor: Bei FINI DOLO ist sie für die Texte zuständig, die Musik stammt von dem Londoner DJ Noel Watson. Auf „Rise“(eastwest) rollen die Soul-Grooves so fett, als gälte es, Massive Attack eine zu schmieren, während Sonja über Gefühle, Musik und Poetry räsoniert Jasmin Tabatabai führte die dümmlichen „Bandits“ an und ist nun die Gespielin von Harald Schmidt in JLate Show“. Auch mit ihrer Band EVEN COWGIRLS GET THE BLUES geht es weiter: „It All Ends In Smoke“ (Smoke/EFA) beginnt mit passablen Versionen von „Ring Of Fire“ und Lee Hazlewoods „Sugartown“ – um so größer ist die Fallhöhe zu Tabatabais braven eigenen Songs.

Die Weltmeister des ziellosen Nudelns können auch anders: PHISH, in den USA größer als Gott, schreiben neuerdings Songs mit Anfang und Ende. „The Story Of The Ghost“ (eastwest) ist zwar nicht vom Ungeist des Muckertums befreit, doch manche schönen Momente lassen hoffen. Art Rock aus Amerika, Steely Dan für die Ärmeren.

Unter dem Schottenrock jodelt wieder die Gitarre: RUNRIG fanden einen neuen Sänger, nachdem der alte in die Politik wechselte. Die weichgespülten Folklore-Klischees und blutenden Balladen auf „In Search Of Angels“ (Columbia/Sony) nehmen noch knapp vor Chris de Burgh die Kurve ins La-La-Land.

GELD ODER LIEBE

Im Showgeschäft genießt Jürgen von der Lippe den Ruf, aus Scheiße Gold machen zu können. Was die Plaudertasche vorstellt, wird garantiert gekauft. So auch das Gesäusel von DAVID McALMONT auf „A Little Communication “ (Virgin) – Emotions-Konfektion.

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