Short Cuts von Wolfgang Doebeling

Natalie Cole – Snowfall On The Sahara (Elektra/EsatWest

Mit „Unforgettable“, ihrer Hommage an den legendären Crooner-Daddy Nat „King“ Cole, trat sie vor acht Jahren endgültig aus dessen Schatten hervor und schüttelte das Image der etwas unbedarften Disco-Diva ab. Unvergeßlich, aber auch unverzeihlich. Denn Natalies Duett mit dem toten Nat, für den fleddernden Video-Clip clever editiert, machte Schule. Hank Williams wurde von seinem aus der Art geschlagenen Junior zu Promo-Zwecken dem Jenseits entrissen, alle Pietät dem Popanz geopfert. Natalies Neue kommt ohne Gimmicks aus, völlig geschmacksstcber ist sie nicht E-Pianos und seichte Synths sorgen für Irritation, und Taj Mahals „Corinna“ beginnt wie eine von Fatboy Slim aufbereitete Boney-M-Nummer. Bollocks. Die Balladen dagegen haben durchaus Klasse, der Soul hat Stil, der Blues ist glatt, stört aber nicht nachhaltig. „Thank you, Mr. D.“, sagt Miss Cole artig, bevor sie sich in Bobs „Gotta Serve Somebody“ schmeißt Funk, pasteurisiert und doch nicht so übel. 2,5

Sarah McLachlan – Mirrorball (Arista/BMG)

Wem Alams Morissette zu flipptg ist und Enya zu versäuselt, dürfte bei Sarah McLachlan an der richtigen Adresse sein. Die Kanadierin ist ohnehin der Panda im Popgeschäft: Jeder liebt sie, findet sie zum Knuddeln. Sie war Gallionsfigur des Frauen-Festzugs „Lilith Fair“, kassiert Auszeichnungen am taufenden Band und verkauft in Nordamerika waggonweise Platten. Mit Marshmellow-Musik und einer Stimme, die überall hingehen kann, nur nicht unter die Haut Braucht sie auch nicht bei Lyrik wie diesen „Your love is better than ice cream/ Better man everything eise that fve tried.“ Ein Geheimcode womöglich. Wie anders wäre zu erklären, daß an dieser Stelle des Live-Albums so viele Weibsen verzückt kreischen? Vielleicht bringt der zweite Vers die Lösung: „Your love is better than chocolate/ Better than everything eise diät I’ve tried.“ Schwer zu knakken. jWmwtdtf“heißt das Dokument Warum? Sarah: „I really don’t know, you know.“ 1,5

Alison Brown Quartet – Out Of The Blune (Compass/BMG)

Allround-Virtuose David Grisman produzierte ihre Debüt-LP für Vanguard, wo auch ihre drei nächsten, luftig-lässigen Folk-Jazz-Verschnitte erschienen, bevor Alison Brown ihr Quartett jetzt beim Designer-Label Compass parkte. Noch mettower ist der Sound geworden, noch integrierter in den Mix sind die Instrumente. Browns an Wes Montgomery geschulte Moll-Gitarren-Figuren wissen zu gefallen (besonders auf dem ausnehmend linden „Mood Ring“), ihr Banjo sorgt für kontrapunktische Überraschungen, und bisweilen blitzt eine Bossa-Nova-Idee auf-In“CoastWalk“ glaubt man gar, „The Girl From Ipanema“ wiederzuerkennen, doch dann lösen sich die Konturen wieder auf. Music to watch ans by. 3,0

Spyro Gyra – Got The Magic (Windham Hill)

Und Soft-Jazz zum zweiten, diesmal aber hart an der Grenze zu New Age. Die Bläser klingen flächig, ohne Biß. Das Piano ist lediglich Lückenbüßer, die Tunes sind larifari, und die perkussiven Elemente (ein bißchen Kuba hier, ein wenig Karikib da) klingen wie im Nachinein appliziert, wie Alibis. So gibt sich das befremdliche Klicken auf demOpener „Silk And Satin“ erst nach längerem Raten als das zu erkennen, was es ist: Fingerschnipsen. Musicto watch parking cars by. 1,0

Alabama – Twentieth Century (RCA)

Aus heutiger Sicht schwer zu glauben, aber es gab tatächlich mal eine Zeit, vor mehr als 20 Jahren, als Alabama-Alben „Wild Country“ hießen oder „Deuces Wild“ und zwar nicht wirklich wild waren, aber auch nicht ganz ohne Leben. Dann kamen die Achtziger und Alabama setzten sich an die Spitze der Plastik-Fabrikanten, die nach und nach Nashville usurpierten. Seither reitet man mit Vorliebe auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Und schreckt auch nicht vor Anbiederung an die jüngsten Teenies zurück. Die Backstreet Boys waren verhindert, so wurde eben TV Sync eingekauft für die Backing Vocals zu „God Must Have Spent A LittleMore Time On You“. Schlunziger noch und in seiner Idiotie fast schon wieder witzig ist der Titelsong, eine Hymne auf den unaufhaltsamen Fortschritt: „From blocks of ice to air-condition/ Telegraph to television/ In 1900, who’d a known we all wind up with pocket phones.“ 1,0

Vince Bell – Texas Plates (Paladin/BMG)

Sein von Bob Neuwirth mitinszeniertes Vorgänger-Album „Phoenix“ hatte etwas Unwirkliches. Vor allem wenn Vince Beils unstete Phrasierung nach Vereinigung mit Victoria Williams‘ jenseitigem Tirilieren strebte. Genie oder Wahnsinn? „Texas Plates“ gibt derlei Rätsel nicht auf. Die Musik fließt in ruhigen Bahnen, Bell singt beherrschtet, die Songs sind straighter. Nicht alle indes. „Austin, Texas by the lake/ Rich kids ski, legislators drink“, beschreibt Bell eine fragwürdige Idylle, doch dann wird das Panorama plötzlich rissig, bricht auseinander. Was bleibt, ist Pein: „The dying’s easy, but the living is hard/ Tie a knot in that rope, hold on tight…“ Nicht gerade beschaulich. 3,5

Rick HolIow – Swing Tour Hips! (MCG/Polymedia)

Eine alte Tradition wird neu belebt: der Drummer als Bandleader und Brennpunkt. Art Blakey, Max Roach, Buddy Rich, Ringo Starr (hä? – die Redaktion) und jetzt Rick Hollow. Auch die Musik ist ein Flashback, wenn auch ein sehr abwechslungsreicher und swingendec Zwischen Boogie und Billy bewegen sich die Cuts, die Covers kommen von den üblichen Verdächtigen: Carl Perkins, Buddy Holly, Leon Payne. Absonderlicher Höhepunkt der Scheibe ist indes eine so launige wie famose Rockabilly-Version von Paul Simons „Sounds Of Silence“. Extrem cool. 3,5

Fiddler’s Green – Stagebox (Ultrax/EastWest)

„Irish Independent Speed Folk“ nennt die fränkische Formation Fiddler’s Green ihre rasante, streckenweise atemlose Kreuzung ausjigs, Reels und Ska(!), und dieses Live-Doppel-Album legt beredt Zeugnis ab von handwerklichen Fertigkeiten. 2,0

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