Silkworm – Developer
Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, die Menschen da sind irgendwie anders. Sagen zumindest Silkworm, die ansonsten in ihren Songs nicht sehr viel sagen, aber jedes einzelne Wort mit der Wucht eines „Amen“ ausstoßen. Die Amis haben mit „Developer“ ihren einzigartigen kargen Stil perfektioniert. Die großen Helden einer versunkenen Welt, die einmal Rock genannt wurde, tauchen hier in Form steinstaubiger Ausgrabungen auf. Doch es sind weniger die überlebensgroßen Riffe oder die archaisch anmutenden Worte, die ihre Songs zum Schwingen bringen – es ist das improvisierte, für Risse empfängliche Spiel. Jurassic Rock, ganz sanft „Developer“ ist das fünfte Album von Silkworm, die zwar in Seattle leben, aber Grunge nur vom Hörensagen kennen. Obwohl die drei noch immer die Freiheiten der Improvisation schätzen, haben sie die zehn Songs auf eine gute halbe Stunde komprimiert Ein Opus magnum, dessen Größe in der Beschränkung liegt Man muß kein Paläontologe sein, um die Verweise auf andere Zeitalter des Rock’n’Roll deuten zu können. Der Titeltrack „Developer“ erinnert an den monochromen Riff-Rock von Lou Reed, und Neil oung hat nicht nur in dem tief furchenden Solo von „Song With One Part“ seine Spuren hinterlassen. Von Retro kann hier trotzdem keine Rede sein, schon weil Michael Dahlquist sein Schlagzeug zuweilen massiv nach Melvins-Art bearbeitet Die Vitalität von Silkworm ist enorm und das Wechselspiel zwischen den verschiedenen Temperamenten verblüffend. Tim Midget ist ein Bauklotz von Mann, doch wenn er zu seinen tragenden Baßläufen singt, bleibt ihm in seiner Erregung schon mal die Spucke weg. Während solcher stillen Momente, zum Beispiel im Eröffnungsstück „Give Me Some Skin“, hält sich Andy Cohen zurück. Dafür überschlagen sich seine vollkommen schmuckfreien Riffs kurz darauf in „Never Met A Man I Didn’t Like“. Da fordert er von einem Typen, der den Namen des Chefs seines Labels Matador trägt, 200 Dollar für den nächsten Fick. Ja, sowas tut der sympathische Brillenträger, denn SUkworm-Songs funktionieren immer als Geschichten, in denen das Vokabular des Rock’n’Roll bewußt in einer Schräglage zwischen Zitat und Authentizität gehalten wird. Sehr verspielt, sehr feierlich.
Nur zum Ende macht die Band auf Bruder lustig. Da kichern sie wie bekifft und das ausgerechnet vor der Elegie „Goodnight Mr. Maugham“. Andy spricht: „The past is a foreign country, the people there do things differendy.“ Und wo zu Hause ist, wissen Silkworm auch nicht.