Sly &The Family Stone Higher! :: An erster Stelle sei gesagt: Es wäre mehr als wünschenswert, wenn ein beträchtlicher Teil der Einnahmen aus diesem überaus prächtigen Produkt dem Urheber dieser über weite Strecken genialen Musik zugutekommen würde. Damit er auch weiterhin einigermaßen finanziell abgesichert seinem kauzigen, stets prekären Lebenswandel nachgehen kann. Der inzwischen 70-jährige Sylvester Stewart, die Großlegende Sly Stone, lebt, wie man hört, die meiste Zeit in einem Wohnmobil mit eingebautem Studio, etwa in den Hofeinfahrten von Fans im Großraum L. A. Aus drogenverschuldeter Armut, sagen die einen; aus frei gewählter Privatvorliebe, sagt sein Anwalt.
Ein Blick auf die Gegenwart ist das Einzige, das man in dieser ansonsten äußerst reichhaltigen Box vermisst. Auf vier CDs wird Sly Stones klassisches Schaffen zwischen 1964 und 1977 dokumentiert, eine tolle Reise von tightem Rock’n’Roll („I Just Learned How To Swim“) zu ratlosem Reiten auf seinem ewigen Lieblingsthema („High“). Dazwischen werden alle Phasen sauber abgearbeitet, chronologisch, mit (zu) kurzen Kommentaren verschiedener Beteiligter. Es gibt alle Singles inklusive B-Seiten, diverses Unveröffentlichtes, darunter interessante Instrumentals für Songs, deren Vocals nie aufgenommen wurden, das Live-Feuerwerk von der Isle Of Wight sowie ein paar Studio-Kuriositäten.
Schön hörbar wird der Übergang Sly Stones vom Bandleader zum Produzenten. Die klassischen Ensemble-Aufnahmen wie „Stand!“, „Thank You“ und noch ältere wie „Underdog“ und sein erster Hit „Dance To The Music“ strotzen vor Teamgeist. Neben Jimi Hendrix waren Sly &The Family Stone der einzige bedeutende schwarze Act in der Hippie-Szene. Denn sie trugen in sich, neben dem freien Geist der Psychedelik, auch den Gospel-Geist der Bürgerrechtsbewegung -während in Mississippi noch Rassentrennung herrschte, verkörperte die multi-ethnische Family Stone bereits die utopische Gesellschaft der Zukunft.
Bald darauf war Stone dann deutlich häufiger allein. Mit seinem Umzug nach Los Angeles verflog die Gruppen-Euphorie, die Dinge wurden dunkler, wie es sich unweigerlich nach zu langem Highsein einstellt. Stone produzierte nun eher allein, wurde zu einem der ersten Nutzer primitiver Rhythmusboxen, baute die Musik auf, wie es Elektro-Produzenten heute tun, nur mit anderen Mitteln. Diesem eher autistischen Vorgehen verdanken wir jedoch einige der besten Stücke der Musikgeschichte wie „Family Affair“,“Runnin‘ Away“,“Smilin'“, letztlich das ganze „There’s A Riot Goin‘ On“-Album.
Zur Mitte der 70er-Jahre wurde die Produktionsqualität wieder amtlicher. Da gab es dann noch dieses und jenes, selbst Grausliches wird hier ehrlich dokumentiert („Le Lo Li“), dann endeten die epischen Jahre beziehungsweise die bei Epic Records. Der historischen Bedeutung dieses großen Typen wird diese Box allemal gerecht, nicht zuletzt durch ein bildreiches Booklet.(Sony) HANS NIESWANDT