Steinbruch Kurzbesprechungen
Little Axe – The Wolf That House Built, 3,5
Weird/IRS 972.182
Wenn Skip McDonald den Blues spielt, sagt er immer auch Dub. Bei seinem Projekt Little Axe spürt er dieser Traditionsmusik nach, ohne dabei in Anachronismen zu verfallen. Mit Bassist und Schlagzeuger musiziert der Produzent, Remixer und Gitarrist surreale Arrangements, bei denen sogar Mundharmonika und Ambient funktionieren. Der spirituelle Gesang, zuweilen verfremdet mit Hall-Effekten, ist dem afrikanischen Ursprung ebenso nahe wie Londonern Tanzclubs. Wer die Renaissance des Blues mit Eric Clapton begründen will, muß zuerst Scip McDonald sagen. OH
Harvey Mandel – Twist City, 1,5
ZYX 20332-2
Gütiger Himmel, was für ein Abstieg. Mißt man dieses Werk an dem legendären Mandel-Album „Christo Redentor“, dann packt einen das nackte Grausen. Biederster Mucker-Blues, wie er aus jedem Provinz-Schuppen dröhnt. ‚Von inspiriertem Gitarrenspiel wie auf „Games Guitars Play“ nicht die Spur. Und würde hier statt Harvey Mandel The Jupp Schmitz Blues Band draufstehen, niemand würd’s merken. Mandel hos lost his marbles. JG
Abstinence – Popsicle 3,0
Telegram/WEA 45o9-95679-2
Der Britpop stagniert und ist endgültig langweilig geworden.
Jetzt kommt eine Band aus Schweden und spielt Musik, so geschmackssicher, pubertätsselig und mickymaushaft wie – nun ja, eben wie Britpop. Der aber stagniert bekanntlich und ist endgültig… Wir wollen nicht darauf herumreiten. Was können diese begabten Jungs dafür, daß in ihren Pässen nicht Manchester als Geburtsort steht, sondern vermutlich irgendein Ort im Ö? Und daß sie vermutlich zu spät geboren wurden? Wer vom Britpop aller Länder nicht genug kriegen kann: Hier ist eine brauchbare Epigonen-Platte, übrigens mit einem tollen Cover und betreut von einem Produzenten, der den schönen Namen Micke Herrström trägt. RS
Minxus – Papulum, 4,0
Too Pure/RTD 43
Diese Band läßt einem keine Zeit zum Atmen. Auf ihrem Debüt-Album greifen Minxus nur deshalb Melodien auf, um sie im nächsten Moment unter Rhythmus-Stakkati zu begraben. Mal erinnern die Engländer mit ihrer lässigen Gewalt an die Free-Core-Formation Babe The Blue OX, ein anderes Mal dekonstruieren sie die Funktionsweisen des Pop wie die ganz frühen Go-Betweens. Trotzdem entwickeln die drei einen unwiderstehlichen Groove. Der richtige Stoff für jene Solo-Dancer, die morgens um vier auf schlechten Parties ihr ganz privates Stück erzappeln. Ausdruckstanz nicht ausgeschlossen. CB
Tuck & Patti – Tuck & Patti, 4,0
Sony Music
Viele Stars singen manchmal im Duett. Männer gurren Liebesschmonzetten mit Frauen, niemand aber harmonisiert so wie Tuck & Patti. Das Ehepaar aus San Francisco nimmt seit Jahren bescheidene Platten mit betörenden Liedern auf und tingelt doch nur durch Veranstaltungszentren und Kneipen. Gäbe es Gerechtigkeit, Tuck & Patti müßten in Stadien längst Messen der Glückseligkeit zelebrieren. Dem Schicksal begegnen sie mit immer reineren Darbietungen. Tuck & Patti – das sind Gitarre und Stimme als ein gemeinsamer Klangkörper. Auf der Basis von Soul, Gospel, Folk, Blues und Jazz singt die schwarze Patti zur Gitarre des weißen Tuck, entrümpeln sie Cover-Versionen und verlassen mit ihnen die Ebene von Sentimentalität und Kitsch. Denn das Schöne ist hier nicht zwingend die Akrobatik mit den Akkorden, sondern ihre Liebe. Tuck & Patti sind sich selbst das Glück. Sollten sie sich trennen, stirbt auch ihre musikalische Gabe. OH
Sullen – Sapients, 2,5
Marlboro Music 0087622
Sie danken Gott und Jimi Hendrix, und das ist der letzte Spaß, den sich Sullen gestatten. Das ruppige Quintett aus Los Angeles hat sich mit Sozialkritik und der eigenen Sozialfall-Story genug streetcredibility verschafft, um als the angry voice of America bezeichnet zu werden. Ihr mahnender Metal und schreiartiger Sprechgesang sind nicht übel, aber für das Übel der Welt haben andere schon ergreifendere und erschütterndere Ausdrucksformen gefunden. Am besten sind Süllen, wenn sie sich beruhigen und Jazz spielen oder Cypress Hill imitieren. OH
Die Fünf Freunde – Aggro, 3,5
Autarc/EastWest 4509-99277
„Aggro“, erklären die Fünf Freunde, „ist ein Gefühl: eine Gespanntheit, ein lauerndes, aufpeitschendes Etwas im Kopf und im Körper, eine innere Unruhe auf der Fährte nach dem nächsten Kick. Aggro ist ein westeuropäisches Gefühl.“ Die Fünf Freunde sind sechs Freundinnen aus Hamburg und natürlich superschlau. Im Unterschied zu Musikern, die sogar von Kritikern nicht erklärt werden können, erklärt die Band ihre Musik am schönsten: „Trash-Pop-Punk-Schlager-Zitat-Happy-Sound-Noise-Sixties-Soulbeat-Glam“. Das ist natürlich zuviel und so türmen sich Gitarren, Hammond-Orgel, Trompete und Akkordeon zu krachigen Gassenhauern. Auch eine Schüler-Combo könnte das. Aber die verfaßt keine „Manifeste zum Thema ‚Aggro'“. Sei aggro! AW