Steinbruch Kurzbesprechungen

Es ist alles so wahr. Das Leben ist ungerecht, das Schicksal spielt böse Streiche, die Liebe bleibt ein Traum. Wer das weiß, der macht Musik wie SPAIN – Musik, in der alles klar ist und kaum noch gesprochen werden muß. Die letzte Lebendigkeit ist aus dem Spiel gewichen, wenn in „World Of Blue“ eine Viertelstunde lang gravitätisch der Weltschmerz ausgelotet, in „Spiritual“ verzweifelt Jesus angerufen wird. Spain sind ein Quartett junger kalifornischer Musiker, darunter Josh Haden, Sohn des Jazz-Gitarristen Charlie Haden. Die schwermütigen Manierismen zuckeln im Schneckentempo, nur sporadisch unterbrochen von Aufschwüngen ins Andante. Aber die ,ßlue Moods Of Spam“ (Resdess/ RTD) verbreiten keine Trübsal – sie schaffen ein melancholisches Wohlgefühl, eine Ruhe und Entrücktheit, die in der Rockmusik selten zu haben sind. 3,5 Aus dem Poesiealbum empfindsamer Jungmänner: Für das CAMPING sind die Hamburger Tagträumer zu unpraktisch, und deshalb singen sie zur sanften Begleitung von akustischer Gitarre, Geige, Akkordeon und ganz leisem Schlagwerk behutsame Liebeslieder. Sie handeln vom Briefeschreiben, von glücklichen Tagen in Paris und dem Gleichklang des Dorfes, sie preisen das wunderbare Mädchen und den Glanz der Tristesse – ein bißchen weinerlich und süßlich, aber wahrhaftig. „Maritime Strick- und Regenmoden“ (Marina/Indigo) zum Ummanteln des Herzschmerzes. 3,0 Wenn Kitsch episch wird: Die spanische Kohorte HEROES DEL SILENCIO stürmt sai£ tr /tvalancha“ (EMI) mit jubilierenden Gitarren, stoischem Schlagzeug und gellendem Gesang die Bastionen des Bombastes. Mit gutem Erfolg: Es gibt kein geborgtes Gefühl, das von diesen geschwätzigen Pathetikern nicht besetzt würde. 2,0 Der emeritierte Dozent für angewandte Popularmusik, Herr ELVIS COSTELLO, dirigierte im Juni das Meltdown-Festival in London, eine musikalische Versammlung aller Diszplinen. Er selbst gab mit dem amerikanischen Jazz-Gitarristen BILL FRISELL ein Konzert, das auf dem Mini-Album „Live At Meltdown – Deep Dead Blue“ (WEA) dokumentiert ist: Variationen über Costellos eigene Stücke „Love Field“, „Poor Napoleon“ und „Baby Plays Around“, Versuche über die Klassiker „Weird Nightmare“ und „Gigi“ sowie die Gemeinschafts-Komposition JDeep Dead Blue“. Die extrem reduzierten und gedehnten Fassungen richten keinen Schaden an, provozieren aber wiederum die Frage: Quo vadis, Elvis? 3,0 In der wunderbaren Welt der CARDIOANS aus Stockholm haben Ehrgeiz und Protzerei keine Chance, hier gewinnen Understatement und Smartness. Chansonette Nina, die tatsächlich wie Hollywood-Aschenputtel Audrey Hepburn in blond aussieht, verfugt über diese Eigenschaften. Ihre musikalischen Begleiter auch, das versteht sich ja von selbst. Was für eine Wonne, den fünf auf „Life“ (Motor) dabei zuzuhören, wie sie den klassischen Beat vom Jazz und Breitwand-Pop der 60er Jahre her aufrollen! Diese Band ist ein riesiger Spaß, und ein bißchen mehr. Natürlich geht es ihnen um Starruhm, um Glamour und auch ums Verkleiden. Doch dafür brauchen sie nicht verbissen zu kämpfen oder Identität über Bord zu werfen. Notfalls beklatschen sich die Cardigans selbst – oder sacken auf einem zweitklassigen Tanzturnier den Pokal ein. 3,5 Als Gitarrist hat BERT JANSCH in Folk-England nur ganz wenige neben sich, doch als Sänger blieb er eine verkannte Größe. „When The Circus Comes To Town“ (Cooking Vinyl) wird daran nicht viel ändern können, das ist beklagenswert, weil seine unendlich traurige, leidgeprüfte schottische Stimme der Schlüssel ist zum Verständnis vieler seiner Songs. Das war in der Prä-Pentangle-Ära so, als er in Sachen Folk-Blues Maßstäbe setzte, und heute gilt es mehr denn je. Dabei ist „Circus“ musikalisch rootsiger als seine letzten Platten und zugleich bunter: von schweren Balladen über jazzige Eskapaden bis zum bluesigen Swing des Titelsongs. Exzellent, 4,0 DIANA ROSS hat noch immer mehr Sex in der Stimme als Janet Jackson im Hintern, anders als diese aber schon lange keine musikalische Identität mehr Auch auf “ Take Me Higher“ (EMI) laviert sie selten überzeugend zwischen zuckrigen Soul-Balladen, Alkrwelts-Funk und läppischen Anbiederungen an aktuelle Moden. Höhepunkt ist das sanft-introvertierte „I Thought That We Were Still In Love“, weil es allein auf diese Stimme baut, Tiefpunkt der völlig überflüssige, plumpe Aufguß von Gloria Gaynors gräßlich-padietischer Disco-Hymne „I Will Survive“. Manchmal ist Überleben nicht genug. 1,5 Noch immer gilt: Keiner reimt wie JOHN prine. Absurd, komisch, zynisch, tongue-in-cheek, aber stets mit einer Rose im Knopfloch. Leider ist der begnadete Texter auf „Lost Dogs And Mixed Blessings“ (Rykodisc/RTD) in der Wahl seiner musikalischen Mittel nicht immer so geschmackssicher wie mit der tollen Trilogie „Lake Marie“, auch wenn’s nicht immer so total danebengeht wie bei „We Are The Lonely“. Was auch aufs Konto von Produzent Howie Epstein gehen dürfte. Fazit: Lost Roots di Mixed Feelings.3,0 g Von 1979 bis 1986 schlug der Hamburger Drummer CARSTEN BOHN (Frumpy, Dennis, Carsten Bonns Bandstand etc.) seine Zelte im „Big Apple“ auf. Nun liegen unter dem Titel „New York Times“ (Big Note) seine musikalischen Reminiszenzen an diese Jahre von Unterstützt von Kollegen wie Jens Fischer, Tissi Thiers, Vater und Sohn Kravetz sowie George Kochbeck zeigt Bohn in Bestfbrm, was er in New York gelernt hat: Daß der Funk stets grooven muß. 3,0 Wundersame Ironie: STEELY DAN, die Studiotüftler vor dem Herrn, feiern ihr Platten-Comeback ausgerechnet mit dem Konzert-Mitschnitt ,rAlive In America“ (RCA). Das ist etwa so, als würde man eine rumpelige Südstaaten-Barband beauftragen, die Streicher-Arrangements für Quincy Jones zu schreiben. Da hagelt’s neben alten Hits – aber nicht „Rikki Don’t Lose That Number“ sogar ein Schlagzeug-Solo. 2,5

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