Steinbruch Kurzbesprechungen

Nach Jahren des Reisens legen die COWBOY JUNKIES ein Doppel-Album mit Live-Aufnahmen vor: „200 More Miles -Live Performances 1985-1994“ (ARIS) vermittelt leider nur eine Ahnung von der ehrfurchtgebietenden Intensität eines Abends mit den Behutsamkeitsvirtuosen. Und Margo Timmins‘ magische, körperlose Stimme erschüttert noch mehr bei Präsenz dieses Fabelwesens. „Misguided Angel“, „Fm So Lonesome I Could Cry“: Gibt es Traurigeres, gibt es Rührenderes auf der Welt? 3,5 Neues aus dem Hause Marina: Neben dem liebgewordenen Weltschmerz vornehmlich schottischer Poeten sind jetzt die Brit-Pop-Adepten SHACK im Programm. Doch auch die frühere Tätigkeit eines der Musiker bei den Pale Fountains kann nicht über das blaß Epigonale der etwas hypertrophen Gitarren-Songs auf „Waterpistol“ (Indigo) hinwegtäuschen. Gemessen an Pulp, Blur, Oasis: eine Bagatelle. 2,0 Anders die verläßlichen Schotten von COWBOY MOUTH: Kultivierten sie auf ihrem Debüt „Life As A Dog“ schon die komische Verzweiflung, so übertreiben sie nun noch heftiger: ,^ove Is Dead“ (Indigo) enthält laut Untertitel „eleven short songs about love and other serious crimes“. Wieder haben Grahame Skinner und Douglas Maclntyre Balladen komponiert, die dem Weinen sehr nah sind. fom Fenster auf dem Cover blickt man auch nur auf Trübsal. Aber was hat man sonst zu tun? 3,0 Graham McPherson bleibt lebenslang SUGOS, der lustige Sänger von Madness. Nach dem unrühmlichen Ende der britischen Institution betätigte sich McPherson als Manager der Karnevals-Combo The Farm, und als das auch vorbei war, versuchte er sich als Stand-up-Comedian. Verschiedene Madness-Wiederbelebungen, als nostalgieselige Volksfeste inszeniert, finanzierten zuletzt den Lebensunterhalt. Tragikomisch geriet Suggs‘ erstes Solo-Album „The Lotte Ranger“ (WEA): überdrehtes, erbärmlich uninspiriertes Fake-Reggae-Gedudel und Pub-Pop-Albernheiten wie auf dem Kindergeburtstag. Der Beatles-Song ,J’m Only Sleeping“ ist das einzige gelungene Stück in diesem Quark. Billig, aber wahr: Sucks. 1,0 Es gibt ein neues Album von CHER. das heißt „It’s A Mart’s World“ (WEA) und enthält unter anderen Songs von Mark Cohn, James Brown, Don Henley und den Walker Brothers. Was der Welt gefehlt hat: Chers Deutung von „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“. Jetzt ist sie da. 1,0 Die Beurteilung von „More Than This – The Best Of Bryan Ferry & Roxy Music“ (Virgin) ist eine saubere mathematische Angelegenheit: Subtrahiert man späten Schwurbel wie „Avalon“ und die Solo-Arbeiten von BRYAN FERRY, ist es natürlich ein wunderbares Album. Während Ferrys Glamour erloschen ist, strahlen Lieder wie „Virginia Plaid“ und „Street Life“ in die Ewigkeit. 2,5 Das Erbe von Japan ist noch fruchtbar. Nach der gescheiterten Wiederaufnahme mit Rain Tree Crow haben die Brüder STEVE JANSEN und RICHARD BAR-BIERI ohne David Sylvian und Mick Kam ein Album aufgenommen — und wie schon einmal, als sie sich Dolphin Brothers nannten, übertreffen diese elegischen, mild experimentellen Soundscapes die letzten Ergebnisse der Gruppenarbeit. Alle Songs auf „Stone To Flesh“ (Medium/EFA) währen länger als sieben Minuten, und an den meisten kann man sich so lange wärmen wie an ihrem alten Song „My Winter“: immerfort. 3,5 Selbstbefriedigung in der Badewanne sei das Größte, verrät uns CHERALEE DILLON gleich zum Auftakt von „Citron“ (Glitterhouse/EFA) jenen „Masturbation Trick“, den sie von ihrer Freundin Sheila gelernt hat. Im weiteren Verlauf des zweiten Albums der Songwriterin aus Portland/Oregon kommen aber auch Männer durchaus auf ihre Kosten. Die kargen, manchmal schroffen Arrangements folgen der formalen Logik und knappen Präzision ihrer ausgeklügelten Texte, die Grenzfälle (ent-)menschlich(t)en Daseins ausloten. Eine emotionale Achterbahnfahrt, die allein durch Dillons teils enervierende Präsenz als Vokalistin auf Kurs gehalten wird. 3,0 Wer dem alten Songwriter-Mythos der Einheit von Leben und (autobiographischem) Werk nachtrauert, wird die hohe Schule der Interpretation vielleicht geringschätzen. Selbst schuld! Menschen ohne Scheuklappen werden wieder mal auf die irischen Sängerinnen MAURA O’CONNELL und MARY BLACK bzw. deren neue Alben „Stories“ (Rykodisc/RTD) und „Circus“ (Grapevine/Arcade) verwiesen. Abstriche? Black neigt manchmal arg zum Sakral-Überhöhten („Wonder Child“); auch hätten ihr etwas mehr „Roots“, etwas weniger geschliffener Wohlklang gut angestanden. Der einzige Vorwurf an O’Connell kann hingegen sein, daß sie schon fast beängstigend perfekt ist in der Wahl ihrer Sujets/Stilmittel und mehr Risikofreude bei der Song-Auswahl deshalb nicht geschadet hätte. Beide sorgen allerdings dafür, daß auch unbekanntere, unterbewertete Autoren (z. B. John Gorka, Jimmy MacCarthy, Pat McLaughlin) zu Tantiemen kommen. Und uns zu Ohren. . 3,5bis.3,0 Sein Babyface und jungenhafter Charme arbeiten schon eine ganze Weile gegen ihn, die Schatten der Vergangenheit tragen pastellfarbene Pullunder und pfeifen Haircut 100-Hits – und NICK HEYWARD kann sie einfach nicht abschütteln. Das ist nicht fair. Die musikalischen Flausen hat er sich längst ausgetrieben, und ,, Tangled“ (Sony Music) ist nicht nur sein bestes Album seit ,JNorth Of A Miracle“ vor mehr als zehn Jahren, sondern eine durchweg respektable Song-Sammlung. Beatleesk sind die Songs, näher an McCartney als an Lennon, doch ist das Macca-Saccharin allzeit genießbar, weil die anderen Ingredienzien alles andere als sirupig sind: Jam-Chords, The Jesus And Mary Chain-Feedback und unsentimentale, nicht selten selbstironische Texte. Für „Revolver „-Liebhaber. 3,5

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