Stephen Malkmus & The Jicks – Real Emotional Trash :: Die Ehrenrettung des Gitarrensolos durch einen Intellektuellen
Es gibt ja viele Gründe, warum man Gitarrensoli nicht mag: Männer mit Wallemähnen zum Beispiel, die in Rock-Urzeiten ihr Instrument als Extension jenes Organs nutzten, dessen Verlängerung uns heute in Spam-mails angepriesen wird. Oder Jungs mit Pferdeschwänzen und engen Hosen, die breitbeinig auf Barhockern kauern, ihre Pranke vorm Gemächt auf und ab schrummeln, und dazu ihre Gesichtszüge verzerrend „dusch-dusch-dusch-dschuckedschucke-diddelididdelididdeliyeeeaaah“ lautmalen. Aber versuchen wir. solche Bilder für eine knappe Stunde aus unseren Assoziationen zu streichen, denn diese Typen werden die hier zu besprechende Platte ja niemals anhören, wie sie auch schon „Slanted & Enchanted“, „Crooked Rain Crooked Raim“oder, „Wowee Zowee“ nicht angehört haben – die klassischen Pavement-Alben, auf denen Stephen Malkmus seine Gitarre benutzte wie einen dieser billigen Plastikkulis, mit denen man früher Bandnamen auf sein Schreibmäppchen kritzelte: Kiss, Led Zeppelin, Black Sabbath, Yes… Auf seinen Soloplatten kamen schwer lesbare neue Krakeleien hinzu: Mad River, Quicksilver Messenger Service, Groundhogs, Gong. Wimple Winch.
„Of all my stoned digressions some have mutated into the truth — not a spoot“, quengelt Malkmus nun zu Beginn seines vierten Post-Pavement-Albums und zerrt an den Seiten, als gelte es, den britischen Prog-Rock zu reanimieren. Nur um den harten Stoff kurz darauf gegen einen Kinderabzählreim einzutauschen und schließlich von den Abenteuern eines irakischen Raumschiffs zu berichten. „Dragonfly Pie“ heißen diese ersten fünf Minuten, die in alter Malkmus-TraditiondenWegins Album erst mal fast unmöglich machen. Anders „Hopscotch Willie“, das danach einen Readers Digest der schönsten Pavement-Sounds aufzublättern scheint, die Gitarre meckert, klingelt, jauchzt, frohlockt, heult – die pure Glückseligkeit. Dann“Cold Son“, ein psychedelischer Popsong, der einen bei aller Schönheit jedoch nicht darauf vorbereiten kann, was folgt: Der Titelsong beginnt als zärtliche Folk-Rock-Ballade über Daddy, der irgendwie „on the run“ ist, und schwingt sich zu einem mächtigen Prog-Stück auf, das unter seiner eigenen Last fast zu zerbrechen scheint, bis die Jicks beschleunigen und es in einen herrlichen Power-Pop überführen, der den Weg an den folkigen Anfang wie ganz von selbst findet. Zehnminutenundachtsekunden. Monu-mentdL Der relaxte Westcoast-Indie-Popsong „Out Ot Reaches“ kühlt das Gemüt nicht lange, denn es folgt etwas, das klingt wie Malkmus’Version von „The Battle Of Evermore“ („I’m in love with a soldier from Baltimou-ouou-ou-ou“), der unwiderstehlich federnde Popsong „Gardenia“ und eine anfangs zarte Psychedelic-Spielerei, die ihren schleichenden Wahnsinn schon im Namen trägt: „Elmo Delmo“. „We Can’t Help You“ könnte schließlich eine zu Tränen rührende Folkballade sein -wenn man nur wüsste, worum es da eigentlich geht. Am Ende fährt King Cnmsons „21 Century Schizoid Man“ den“Magical Mystery Tour“-Bus der Beatles vor, und „Wicked Wanda“ steigt aus.
Dann ist der Ausflug auf den Schrottplatz, den wir Popgeschichte nennen, vorbei. Stephen Malkmus hat aus all den alten spritfressenden Straßenkreuzern, die dort rumstehen, eines seiner wundervollsten Alben zusammengeschraubt. Und er hat für uns, die wir es besser wissen müssten, das Gitarrensolo ein für alle mal gerettet. „Diudiuuu-däddel-di-däddel-di-däddel-di-diiiiiuuuu“. Real emotional.