Stephen Stills – Just Roll Tape :: Aus dem Keller: Stills‘ schlichte Demo-Aufnahmen von 1968
Seiner Südstaaten-Vergangenheit musste er wohl unbedingt auch einmal ein kleines musikalisches Denkmal setzen.
Der Song hieß „Change Partners und erzählte davon, wie gesittet es in alten Zeiten zuging, als es den Jünglingen beim Ball im Country Club streng verboten war, den Mädchen irgendwelche Avancen zu machen („‚Cause the dear things get hurt/ And the broken hearts make you feel hard“), während die holde Weiblichkeit bei solchen Veranstaltungen lernte, wie man mit Jungs umgeht: „Gently but firmly they learned to say no…“ Das war nicht der Süden aus „Vom Winde verweht“, den er beschwor.
So wunderbare Lieder wie „Change Partners“ schüttelte der aus Dallas, Texas, nach Los Angeles emigrierte Musikant damals förmlich aus dem Ärmel, als das mit dem Job bei den Monkees nicht geklappt hatte (bei deren Management hatte er sich tatsächlich beworben). Erst für Buffalo Springfield (deren drei Hits 1967 alle aus seiner Feder stammten), dann für Crosby, Stills & Nash und schließlich meistens für Solo-Platten, nachdem die Band auch dann noch als zeitlich befristetes Projekt gesehen wurde, als Neil Young zu derselben gestoßen war.
Das waren genauso verbindliche wie private Lieder, politisch hellsichtige wie „For What It’s Worth“, öfter Lieder über Liebe und Herzeleid, manchmal auch sehr private wie „4 + 20“, in dem er sich depressiv Bilanz ziehend wünscht, sein Leben möge enden. Einfach so. Eine gewisse Konzilianz brachte er zwar auf, aber im Grunde betrachtete er Bands dann doch wohl eher nicht als eine demokratische Veranstaltung. Manassas sollte ganz und gar seine musikalische Multikulti-Truppe werden, ein elitäres Unternehmen, das auf der Bühne auch eine kleine Weile zu virtuoser Höchstform auflief, ausdrücklich dem Geist von Jimi Hendrix, Al Wilson und Duane Allman verpflichtet. Was er bei Letzterem an Finessen abgeschaut hatte, demonstrierte er auch bei „Bound To Fall“. Das war von allen Songs der Doppel-LP der einzige, der er nicht geschrieben hatte! Überhaupt kümmerte er sich bei diesem Album um alles. Am Ende ordnete er mehr als ein halbes Dutzend immer wieder neue Lack-Überspielungen an, bevor er mit der Klangqualität zufrieden war und Atlantic Records das endlich veröffentlichen durfte.
So anspruchsvoll war er nicht, als er am 26. April 1968 nach einer Session mit seiner damaligen Freundin Judy Collins dem Tonmann im Elektra-Studio ein paar hundert Dollar in die Hand drückte und ihn bat, so lange Bänder aufzulegen, bis er seine neuen Songs als Demos aufgenommen hatte. In welcher Verfassung er am Ende der Session privat war, dass er die danach nicht auch umgehend mit nach Hause nahm, kann man nur mutmaßen. Darüber schweigt er sich in seinen knappen Anmerkungen geflissentlich aus. Ein Wunder, dass sie – von dem offenbar doch umsichtigen Tonmeister als Aufnahmen von Stephen Stills auf dem Karton gekennzeichnet und ins Archiv verfrachtet – überhaupt erhalten blieben. Denn bei der Auflösung des Studios wurden die meisten – wie seinerzeit auch sonst oft bei anderen Firmen praktiziert – Bänder vernichtet und dem Müll überantwortet. Nicht aber die dieser Session. Auf wundersamen Wegen landeten sie bei Graham Nash, der den Freund doch überreden konnte, sie der Nachwelt nicht vorzuenthalten.
Dass sich das Dutzend Demos nicht durch die oft absolut fabelhaften Arrangements späterer Studioaufnahmen auszeichnet, Stills hier auch nirgends eitel den Virtuosen raushängen ließ und der Mann am Mischpult nicht immer so konzentriert reagierte, dass er jegliche Übersteuerung der Bänder vermieden hätte, bedeutet nichts. Diese Rohdiamanten – erst im Verlauf der nächsten fünf Jahre in feinem Schliff auf mehreren LPs auftauchend belegen, was für ein grandioser Songschreiber der Mann mal war, egal ob er Folk, Blues, Minnelied oder epische Ballade komponierte. Das sind hier keine mehr oder minder frühen Entwürfe, auch unplugged und ohne Studio-Zierrat besitzen die endlos hinreißende melodische Qualitäten. Bei den drei späten für Columbia eingespielten LPs, die BGO unlängst als Doppel-CDs herausbrachte, finden sich zwischendurch auch immer wieder
solche Ohrwürmer wie „Turn Back The Pages“ oder „No Me Niegas“. Das Zuckerl auf der Demo-Retrospektive ist das vormals nie veröffentlichte „Treetop Flyer“, unser Mann als Ass an Slide und Dobro.