Sting :: Live In Berlin

Im Herbst brachte Sting seine alten Songs mit dem Royal Philharmonic Orchestra auf die Bühne – die DVD zeigt, wie gut er noch immer ist.

Im Herbst 1985 überlegte ich mit Freunden, welche Platte die beste des Jahres sei. Manche griffen zu „Brothers In Arms“, ich langte nach „Little Creatures“ von den Talking Heads. Die Platte, die daneben lag und ganz so aussah, als wäre sie immer schon dagewesen, hätte den Ehrentitel verdient gehabt: „The Dream Of The Blue Turtles“, das erste Solo-Album von Sting. Dazu sagten die Freunde aber folgendes: Sting sei ein Verräter, weil er Police verlassen hatte. Sting begehe Verrat an der Rockmusik, weil er mit Jazz-Musikern spiele. Sting sei arrogant. Sting sei altklug. Sting sehe zu gut aus. Das alles war wahr, und Sting wusste es.

In diesem Jahr nahm er seine alten Lieder mit einem Symphonieorchester auf – ein Akt, der üblicherweise die kreative Auslöschung eines Künstlers darstellt. Und wirklich: Die Songs klangen wie Klassik-Rock, das Gesummse wurde den Stücken nur aufgepropft. Aber am 23. September, auf der Bühne der 02-World in Berlin, geschieht etwas Seltsames: Sting, einer der besten Rock-Sänger der Welt, stellt sich an ein altes Mikrofon und singt wie Fischer-Dieskau und diese Typen, nur viel schöner, und nachdem „Every Little Thing She Does Is Magic“ noch bemüht wirkt, glänzt „Englishman In New York“ als der große Song, der er immer war, und „When We Dance“ und „Russians“ sind bewegend, und „Why Should I Cry For You?“ ist die Erinnerung an den Vater, die Sting erst sechs Jahre nach dessen Tod schreiben konnte. „Moon Over Bourbon Street“ ist schiere Brillanz, „The End Of The Game“ (das Fuchs-Lied) klang nie inniger. Branford Marsalis spielt noch immer sein herrliches, rokokohaftes Sopransaxofon, Dominic Miller setzt filigran die Gitarren-Licks. Das Konzert kulminiert im gespenstischen „Mad About You“, einem rauschenden „King Of Pain“, dem perfekten „Every Breath You Take“ und der tanzenden Karawanserei, ,Desert Rose“. „Fragile“ – nach T. S. Eliot – lässt Steine weinen. „Something in my mind will always stay …“

Sting ist eitel. Sting ist arrogant. Sting ist ein Verräter an der Rockmusik. Sting ist ein Genie. Schenken Sie diese DVD (samt CD) zu Weihnachten jemandem, der schon alles zu haben glaubt. (Universal) arne willander

Seit 2004 ist das Crossroads Guitar Festival die Benefizveranstaltung für Eric Claptons Center zur Heilung von Alkohol- und Drogenabhängigen. Bei dieser DVD fällt es allerdings schwer, nicht zur Flasche zu greifen. Über viereinhalb Stunden ohne eine einzige schiefe Note sind doch eine sehr lange Durststrecke. Dafür gibt es viel Fachgesimpel und ausuferndes Gegniedel, Elmore James und Dock Boggs werden herbeizitiert, wo es der Ausstellung der eigenen Kennerschaft förderlich ist. Routiniers wie Jeff Beck, Derek Trucks und Sonny Landreth geben sich ein unmotiviertes Stelldichein mit Bewunderern wie Sheryl Crow und John Mayer. Auch Schreckgestalten wie Robert Randolph & The Family Band dürfen ihr Unwesen treiben. Die besten Momente gehören am Ende Clapton und Steve Winwood. Nur für Musikschüler und Rock-Akademiker. (rhino)

Max Gösche

Am 6. Dezember 1982 trat diese kurzlebige Band in der Hamburger Markthalle auf, mitgeschnitten vom „Rockpalast“. Die Gitarre spielte John Cipollina (früher bei Quicksilver Messenger Service), und die Keyboards bediente Nicky Hopkins (The Rolling Stones). Es ist ein seltenes Vergnügen, diese grandiosen Session-Musiker auf der Bühne zu sehen, beide in sich versunkene Gestalten im Unterschied zu den Bühnentieren Dolan und Bassist David Hayes, die raubauzig und oft sehr gepresst Blues-Rock-Standards wie „I Put A Spell On You“, „Writing You A Letter“; „Inside And Out“ und „I Ain’t Living Long Like This“ singen.

„The Doubtful Handshake“, das legendäre verschollene Westcoast-Album von Terry & The Pirates aus dem Jahr 1980, wird zugleich mit neuen Liner Notes bei derselben Firma wiederveröffentlicht. (Made In germany)

Arne Willander

27 Auftritte bei der BBC, meistens bei „Top Of The Pops“, sehen wir hier, von „West End Girls“ bis „I’m With Stupid“, 27 Hosen, Jacken und Brillen von Neil Tennant, und immer drückt Chris Lowe wie zufällig auf ein paar Tasten. Außerdem gibt es das Konzert vom Glastonbury-Festival 2010, jene Show mit den komischen kubistischen Designs, den Blumenhüten und den Ausdruckstänzern, die bereits in der London-Version zu sehen war. Nun ist der Matsch- und Stammeszeichen-Pfuhl von Glastonbury zwar der letzte Ort auf Erden, an dem die Pet Shop Boys sich zu Hause fühlen – aber ihr Auftritt hat etwas Großraumdiskothekartiges und entspricht der Maxime, dass die unteren Schichten sich auch amüsieren sollen. So erklingen die Hits und das rauschende Finale „It’s A Sin/ Being Boring/ West End Girls“. Tennant ruft: „Danke, wir lieben Glasto! Wir sind die Pet Shop Boys!“ Yes. (EMI)

Arne Willander

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