Stone Country :: Beyond/Tommy Boy
Nach den Eagles und Beatles ist Nashville jetzt auf die Stones gekommen. „Country’s Superstars“, schreit der Sticker, „do your favorite Rolling Stones songs“, und so findet der Anti-Christ aus Bluesylvania doch noch Zugang zu den sonst für ästhetische Aliens hermetisch abgeriegelten Country-Charts, wenn auch nur per Cover-Compilation.
Was war das damals für ein Heulen und Zähneklappern in der Music City USA, als „Wild Horses“ ante portas standen, eigentlich speziell für den Country-Markt als Single veröffentlicht, und diverse Radiostationen die Pferdchen laufen ließen, bevor sie von der Nashville-Mafia zurückgepfiffen wurden. Oder die Haßtiraden in Branchenblättern, als acht Jahre danach der blanke Sarkasmus von „Faraway Eyes“ über den Äther kam und zu berichten wußte von käuflichen Gebeten bei der „Church Of The Bleeding Heart Of Jesus“, zu jaulender Steel-Guitar und süffisanteren und vitriolischeren Harmonies, als man im Land des PTL-Clubs bereit war zu schlucken. PTL steht für Praise The Lord, doch stehen die Fundamentalisten längst in der Ecke (und in Idaho), das Sagen haben die Gesetze des Marktes. Und Geld kennt weder Freund noch Feind.
Im übrigen: „Great songs belong to everone, whether they come from a back street in London or a back porch in Tennessee“, wie Robert K.
Oermann in den Liner-notes zu „Stone Country“ schreibt. Und weiter: „Country stars have been gathering in Nashville’s Studios to offer a tip of the Stetson to The Rolling Stones. Nashville is first and foremost a songwriters‘ town, and Jagger/Richards compositions are nothing if not first-rate examples of craftsmanship.“
Genug der Vorrede. Der Rundown: Travis Tritt degradiert „Honky Tonk Women“ zur Southern-Rock-Party-Sause, Tracy Lawrence singt „Paint It Black“ passabel, Orgel und Twin-Guitars machen angenehmen Lärm, doch bleibt der Nihilismus des Originals völlig auf der Strecke. „Ruby Tuesday“ von Deana Carter ist purer Pop, nett und adrett, woran auch Dan Dugmores Pedal-Steel nichts ändert. „The Last Time“, neulich erst von Dwight Yoakam halsbrecherisch beschleunigt, wird von den Tractors aus Tulsa zum Two-Step heruntergebremst, Rodney Crowells „Jumpin‘ Jack Flash“ überläßt das Riff einer Fiddle, klebt aber sonst sklavisch am Stones-Arrangement. „Angie“ dagegen entpuppt sich als ideales Vehikel für Sammy Kershaws samtenen Südstaaten-Drawl, und die Bluegrass-Attacke, die Blackhawk auf „Wild Horses“ reiten, hat Elan und Dampf, auch wenn sie sich nicht mit der freilich lyrischeren Version von Old & In The Way messen kann.
Collin Rayes „Brown Sugar“ ist halbwegs solide, „Beast Of Burden“ von Little Texas nicht einmal das, während Nanci Griffiths halbakustisch-flottes „No Expectations“ eher überflüssig ist und nicht entfernt an die zahlreichen besseren Covers heranreicht, etwa das von John Hartford.
Unzweifelhafter Höhepunkt ist der letzte Track: George Jones interpretiert Jerry Ragovoys „Time Is On My Side“, ein Song, den die Stones selbst erstmal lernen mußten (von Irma Thomas) und dann unsterblich machten. Jones wickelt seine Stimmbänder um „Time“, phrasiert um, rezitiert, hebt wieder zu singen an, unnachahmlich, und schon gehört der Song ihm allein. Magie.
Kein unwirtlicher Ort also, das „Stone Country“, auch wenn das Gefälle enorm ist und beileibe nicht alles fruchtbar. Eine Fortsetzung ist, so heißt es, in Planung. Mangel an Material besteht nicht, und Stars gibt es in Nashville im Überfluß.
Obacht: in Deutschland schwer, aber doch erhältlich.