Stranger Than Fiction :: Start: 8. 2.
Dass es kein wahres Leben im falschen gebe, hat das postmoderne Kino längst widerlegt. So stolpert Jim Carrey als ahnungsloser Hauptdarsteller durch die Reality-Serie „Truman Show“, Keanu Reeves loggt sich als Pixelheld in die „Matrix“ ein. Und beide stehen vor der existenziellen Frage: Ist die Illusion oder die Realität lebenswerter?
Dazwischen kann Will Ferrell als akkurater Steuerfahnder Harold Crick nicht wählen, als er eines morgens beim wie immer pedantischen Zähneputzen eine Stimme hört. Diese ist weiblich, mit britischem Akzent, scheint direkt aus seinem Kopf zu kommen und beschreibt exakt alles, was er macht, denkt, fühlt, ja ist. Die Psychiaterin tippt auf Schizophrenie, damit erklärt sich jedoch nicht der Satz, der Harold erst richtig erschreckt: „Er sollte nicht ahnen“, deutet die Frauenstimme drohend an, „dass er nicht mehr lange zu leben hatte.“
Die Chronik seines angekündigten Todes führt Harold zum Literaturprofessor Jules Hubert (Dustin Hoffman), der den Biedermann im grauen Anzug für einen Spinner hält, aber mit intellektueller Belustigung dessen These nachgeht: Die Stimme gehöre einer Schriftstellerin, und er, Harold, sei Hauptfigur ihres Romans, in dem sie ihn sterben lassen wolle. Und wahrlich: Karen Eiffel (Emma Thompson), Bestsellerautorin, Kettenraucherin und Neurotikerin, hat nach zehnjähriger Schreibblockade wieder die Arbeit an ihrem neuen Buch fortgesetzt. Angetrieben von der barschen Lektorin Penny (Queen Latifah), die auf den Abgabetermin drängt, sucht sie nur noch den perfekten Abschluss. Und wie immer es ausgeht: Harold hat keine Chance auf ein Happv End. Keine ihrer literarischen Protagonisten hat die letzte Zeile je überlebt.
Forster hat mit nuanciertem Slapstick und leiser Situationskomik das pfiffige Drehbuch von Zach Helm inszeniert als skurriles Melodram, das zwischen dem Irrwitz von „Being John Malkovich“ und dem Sentiment aus „Ist das Leben nicht schön?“ an die eigene Verantwortung und die für andere appelliert. Darf man jemanden sterben lassen? Steht Kunst über dem Schicksal einzelner? Und überhaupt, ganz banal: Ist bereits tot, wer sein Dasein nicht mit Liebe. Lust und Leidenschaft ausfüllt? Angesichts seines Ablebens hat Harold sein Erweckungserlebnis, dass er bisher ein falsches Leben im wahren geführt hat. Er bricht mit seinem strikt strukturierten Alltag, kauft sich eine elektrische-Gitarre und verliebt sich in die kesse Bäckerin Ana (Maggie Gyllenhaal), die dem in Integrale vernarrten Bürokraten wie eine Anarchistin erscheint.
Melancholisch und auch makaber spiegeln pointierte Doppelungen die Wirklichkeit und Fiktion. Ungläubig verfolgt Harold. wie die Stimme verstummt, wenn er verharrt, und sie fortfährt, sobald er sich wieder bewegt. Man sieht Karen erst, wie sie sich vom Dach stürzt, dann auf ihrem Schreibtisch stehend. Sie will sich hineinversetzen in das Gefühl, das Wahre und Falsche in Einklang bringen wie die Tragödie des Lebens mit der Komödie des Todes.