Sun Kil Moon – Ghosts Of The Great Highway
Nimmt man die Beliebtheit von „Ghosts Of The Great“ bei amerikanischen College-Radiostationen zum Maßstab, so wächst eine Generation von Trübseligen, von Tatenlosen und Tagträumern heran. Nun hat die Platte aber nicht nur so einen schönen Titel, sondern stammt von Mark Kozelek, der sich bisher hinter Red House Painters verbarg. Leider wechselte er die Tarnung zum noch ominöseren Sun Kil Moon, doch den sepiafarbenen Abbildungen blieb er treu.
Kozeleks wundersame Alben der 90er Jahre gehörten zum Idiosynkratischsten, zum Verlorensten und Zauberischsten, was das Jahrzehnt überhaupt aufzubieten hatte. Verwunschene Orte, verlassene Achterbahnen, rostige Spielplätze, der Strand am Meer, Erinnerungen an die Kindheit, an unheimliche Träume und unglückliche Lieben waren Kozeleks Sujets. Dazu sang seine klagende, hohe Stimme ganz feierlich, die variationsarme Musik mäanderte in schönen Schlaufen viele Minuten dahin.
„Ghosts Of The Great Highway“ handelt noch immer von den Geistern der Vergangenheit und der Trostlosigkeit der Welt Die elektrische Gitarre wird manchmal sehr laut und fast brutal wie bei „Salvador Sanchez“, das ist wohl der Unterschied. Der Vergleich mit Neil Young ist insofern schlüssig, als das uferlose Gitarrenspiel wie die Traumlogik der Geschichten typisch für den Alten sind. Doch Kozeleks Trauer ist eloquent er mauert sie mit Worten zu: „I put my feet up on the coffee table/ I stay up late watching cable/ I like old movies with Clark Gable/ Just like my dad does/ Just like my dad did when he was home/ Staying up late/ Staying up alone“ singt er in „Glenn Tipton“, doch dieser geradezu leichtsinnigen Reminszenz folgt wieder ein Niederschlag: „I knew an old woman who ran a donut shop/ She’d work late serving cops/ But then on morning baby her heart stopped/ The place ain’t the same no more.“
Vor dem Fernseher dämmernd, Boxkämpfe und alte Kung-Fu-Filme schauend, vermeidet Mark Kozelek das Leben. Las die Blätter aus der Jeans-Tasche der Geliebten, war tief verletzt nannte nie wieder ihren Namen, träumte aber davon, wie es hätte sein können. „I’d rather leave this world forever baby/ Than let life go the way it’s going.“
Voraussetzungen sind hier ein nicht unbedingt abgeschlossenes Literaturstudium, Disposition für Melancholie und als Beleidigung empfundener Liebeskummer vor vielen Jahren. Und Sie müssen allein durch. Not an easy ride.