Susanne SundfØr :: The Brothel
Die Norwegerin musiziert fernab vom Pop-Mainstream.
Sie solle doch erst mal lernen, ihr Instrument richtig zu spielen, sagte ihr die Klavierlehrerin, als die kleine Susanne stolz mit ihrer ersten Eigenkomposition vorstellig wurde. Schon früh war also klar: Dieses helle Mädchen aus einem norwegischen Hafenstädtchen mit dem schönen Namen Haugesund wird sich kaum damit begnügen, beflissen Mozart und Chopin zu interpretieren.
Mit 25, auf ihrem bereits dritten Album, ist diese Klassik-Sozialisation nur noch ein fernes Echo, etwa im dramatischen Intro („It’s All Gone Tomorrow“), in der Vorliebe für Codas (beim Titelstück), auch in der sakra- len Strenge des abschließenden „Father Father“. Aber auch die üblichen Pop-Parameter fassen kaum, was Susanne Sundfør hier in zehn Stücken anstellt. Bereits angestellte Vergleiche mit Song-Künstlerinnen wie Joni Mitchell oder gar Carole King wirken jedenfalls eher hilflos als hilfreich. Tori Amos scheint näher, aber weniger exaltiert und esoterisch.
Ihr Ziel, „eine sehr elektronische Platte“ zu machen, reflektieren Stücke wie „Lilith“ und „Lullaby“ noch am stärksten. Doch hat sich Sundfør im Entstehungsprozess gemeinsam mit dem Produzenten Lars Horntveth (Jaga Jazzist, The National Bank) zunehmend von dieser Vorgabe gelöst und so Räume geschaffen für Streicher, für Bassklarinette und Vibrafon. Vor allem auch für ihre eigene Stimme, die sie im verwunschenen Reigen „Black Widow“ auch mal zum ganzen Chor macht und auf den schwebenden Harmonien von „Turkish Delight“ delikat zwischen nahem und fernerem Osten oszillieren lässt.
Schon und immer wieder erstaunlich, welche Musik in dem Land da oben mehrheitsfähig ist. „The Brothel“, in Norwegen bereits 2010 veröffentlicht, war das zweitbestverkaufte des Jahres. Die Klavierlehrerin war bestimmt mit daran schuld. (Grönland/Rough Trade) Jörg Feyer