Suzanne :: Vega Beauty & Crime
Wahrhaftige, stets kitschfreie Liebeserklärungen an New York
Wir hätten eingeschüchtert sein müssen, stattdessen liebten wir sie. Damals, in der zweiten Hälfte der 8oer Jahre, bestimmte Suzanne Vega das weibliche Songschreiben wie Elvis Costello das männliche. Für zwei Platten war sie die unangreifbare Prinzessin von Musik und Lyrik, bis „Days Of Open Hand“ – eine überambitionierte, fade Platte – ihren Nimbus beschädigte. Aber da gab es schon „Marlene On The Wall“, „Luka“, „Tom’s Diner“. Und ein paar Jahre später, mit „99.9 Fahrenheit“ unter der Ägide von Mitchell Froom, gelang ihr noch einmal ein wundersamer Sprung in ein anderes Klang-Kontinuum.
Doch ist das überhaupt Pop oder Folk – nicht Dichtung mit Musik? Der Auftritt beim Festival in Montreux, das früher dem Jazz vorbehalten war, belegte die großartige Musikalität und Einfühlung der Vega, deren Gesang die Instrumente dominierte, deren Einlassungen nicht so streng oder bestimmt klangen, wie man es zuweilen lesen kann. Nein, es war eher spätmädchenhaft, wie sie sich an jene Liebe in Liverpool erinnerte, die den unvergesslichen Song hervorbrachte.
Und nun, sechs Jahre nach dem letzten Album, Suzanne Vegas Erzählungen von New York, die natürlich auch Liebeserklärungen und Erinnerungen an die Stadt sind, in der sie so lange schon lebt. Es ist vielleicht die letzte Nachwehe des 11. September und, um es vorwegzunehmen, eine der gelungensten und schönsten. Muss man, um diese Songs zu verstehen, nicht wissen, wer Edith Wharton war? Oder Tim Vega? Wo die „Ludlow Street“ verläuft? In welchem Verhältnis die Vega zu Olivia Goldsmith steht? Bestimmt nicht. Denn in den feingliedrig gespielten und arrangierten Stücken, von Gitarren und den Streichern des London Symphony Orchestra subtil getragen, sprechen die, jawohl: Gedichte die deutliche Sprache des Herzens. Vegas Lieder waren immer frei von Kitsch – vielleicht ist das eine Folge des Literaturstudiums, vielleicht liegt es aber auch im skeptischen und vorsichtigen Wesen der Autorin. Nicht zu verwechseln mit Sprödheit. Es gibt die verführerischsten Melodien auf dieser Platte und Texte, die unsingbar aussehen, wenn man sie auf dem Papier sieht. Aber es sind doch so unabweisbare Emotionen wie die Erkenntnis, dass Liebe nicht genug ist, dass man an einem bestimmten Platz einen bestimmten Menschen vermisst und dass man einer Stadt nichts bedeutet (und ein paar etwas schwierigere Überlegungen).
Es sind elf kleine Vignetten, die ohne Pathos und Effekthascherei um New York kreisen und um private Empfindungen. Kein gewaltiger Wurf also, keine epochale Aufnahme, keine Hymnen – sondern die Elegie einer vertrauten, wahrhaftigen Stimme auf ein paar Orte und Momente, die hier aufgehoben werden.