Swell – Too Many Days Without Thinking :: Beggars Banquet/RTD

Die Welt von Swell in ihren Bestandteilen: dunkle Farben, Geräusche, Stimmen, warmtönige Melodien, Zufälligkeiten. Bilder, die aus dem Zentrum geraten, deren Mittelpunkt an den Rand rückt. Peripherie als Kern. So wie die trüben Cover-Fotos verläuft die Musik in einen Strom unscharfer Wahrnehmung. Keine markanten Statements oder Klarheiten, Popsongs gar nein, ein undurchsichtiger Sog aus eigenwilligem Gitarren-Trash-Folk bestimmt ihre Musik.

Den schimmrigen Gitarren-Sounds wird unterschwellige Düsternis nachgesagt und Swell drohen bisweilen mit Explosionen, die im letzten Augenblick glücklicherweise doch im Sand verlaufen. Rauhe Seelenverwandschaft vereint ihr Handwerk, sorgt für großartige, magische Konzertaugenblicke. Swell jedoch verschwanden. Für drei Jahre. Jetzt kehren sie zurück, noch immer faszinierend, noch immer eigenwillig, noch immer mit dem Drum-Künstler Sean-Kirkpatrick, Guitar-Freak David Freel und Bassist Monte Vallier. „Too Many Days Without Thinking“ liegt farbig lockend auf dem Tisch und muß nun die Lücke der letzten Jahre schließen.

Kraftvoll eröffnet „Throw The Wine“ das Album – aber halt, da blitzt sie wieder auf, diese leichte Unruhe der Suburbia, obwohl ein energisch akzentuierter Song wie dieser auf breiteren Straßen dahinfahrt. Immer führt eine akustische Gitarre durch die lauten und leisen Schichten, scheint sie die Verbindung der ausbrechenden Kräfte zu sein. Trippelnd-rhythmisches Schlagzeug mit jener Eintönigkeit eines Drum-Computers gespielt, jedoch ohne dessen akkurate Kälte. Zwei mechanisch-melancholische Töne leiten durch die sonore Traurigkeit von „What I Always Wanted“.

Spätestens hier kehrt die meisterhafte Koloration wieder und läßt alle Vorbehalte vergessen. Swell betören mit verschlungenen Wegen, zärtlichen Gesten und gleichzeitig entschlossenen Linien. Doch da, wo ein Song mit deutlich rockigen Strukturen arbeite, verwischen luftige Gesangsebenen die Übergänge. Mag „I Know The Trip“ laut Refrains und kantige Gitarrenriffs verkünden dahinter buddelt ein Schlagzeug munter auf Tiefgang. Immer wieder löst sich die Griffigkeit zugunsten einer vielfältigen Gegenwart auf. Nichts scheint auf einer Stelle zu bleiben, stets verlagert sich ein Akkord um den anderen in mehrere Räume, tauchen Gestalten, Schatten und Pigmente aus seitlichen Winkeln auf und verändern die Richtung.

Zum Schluß wird noch mal tief Luft geholt und mit ausgebreitetenArmen in die Dämmerung abgehoben: anschwellende Keyboard-Schrammel-Lüftlmalerei, „everyday sunshine, everyday sunshine“, so brummt es mal vorn, mal von weiter hinten – und dann bricht dieses unfehlbar trockene Schlagzeug über uns herein.

Und schon im nächsten Augenblick entgleitet der Zauber, fallen wir heraus aus dem Film, die Musik verschwindet wieder in der kleinen digitalen Schachtel.

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