Syd Matters :: Brotherocean
Pop-Poesie, ambitioniert und voller Meeresmetaphorik
Während die Akustikgitarren von „River Sister“ das Plätschern des Wassers nachahmen, fühlt Jonathan Morali erneut, dass die Meerestiefe ihn ruft. Dabei ist er gerade schon einmal untergegangen. In der Schiffsunglückfantasie „We Are Invisible“ beschwor er den Geist der Meeres in einem anschwellenden Chor – und die harschen Akkorde der Songeröffnung machten nach dem Kentern zarten Harmonien und brummend in die Tiefe hinabtauchenden Synthesizern Platz: „I know what’s worth remembering/ When everything has drowned.“
Die Sehnsucht nach dem Meer, aber auch nach dem Loslassen prägt „Brotherocean“. Ohne John Banvilles Roman „Die See“, der von der Rückkehr an die Küste und von Trauerarbeit erzählt, seien Songs wie „We Are Invisible“ und „River Sister“ undenkbar gewesen, sagt Morali, der Syd Matters ist. Das Meer als Sehnsuchtsmotiv findet sich auch bei der Reise durch die Jahreszeiten in der Elektropop-Impression „Wolfmother“, und im seufzenden „Lost“ lauern Haie unter der Wasseroberfläche, auf der sich der Indie-Folk von „I Might Float“ treiben lässt.
Stets stattet der Franzose seine Songs mit einer sanften Seltsamkeit aus, wie in „A Robbery“, das sich von einem schüchternen Klavierostinato in eine folkloristische Popsuite entwickelt, die ihre Herkunft aus der elektronischen Musik nicht verheimlicht. Und immer wieder gibt sich „Brotherocean“ literarisch anspielungsreich. „Hi Life“, das sich zu einem zarten Beat und einer Akustikgitarre durch den Sommer dreht, verweist wie schon „Wolfmother“ auf William Faulkners „Licht im August“. Und das vielstimmige „Halalcsillag“ verdankt seinen Namen einem Geisterschiff aus einer Geschichte Gabriel Garcia Márquez‘ – und findet in dessen magischen Realismus die Entsprechung für die Stimmung, die das Album bestimmt. (Because/Alive) Gunther Reinhardt