T. Valentine – Hello Lucille… Are You A Lesbian?

Das Gesamtwerk dieses obskuren Rhythm & Blues-Renegaten und Soul-Trash-Proleten: Alle fünf, selbst in eingeweihten Sammlerkreisen nur schwers lokalisierbaren Singles, plus vier bislang verschollene Tracks. Zu kurzem, zweifelhaftem Ruhm gelangte Thurmon Valentine durch den skandalträchtigen Titelsong, ein Funk-Stück mit Sprechgesang zwischen Scat und Rap: „Hey Lucille, are you a lesbian? Do you like to go to bed with women? You are? You do? You what? You got laid with my sister? You dare, freak? I hate all lesbians, I hate all lesbians.“ Nicht gerade das, was man sich gut als Pausenmusik bei k.d. lang-Konzerten vorstellen kann. Oder als Soundtrack zur Sitcom „Ellen“.

Feministinnen dürften auch an anderen Frivolitäten und infamen, wiewohl ironisierten Putdowns des Chicago-Funksters wenig Gefallen finden. Weder an dem brünstigen „Shake Your Funky A-S-S“ ( „I like die way you sweat, sweat, sweat“) noch am Schwängerungs-Postulat „I Want You To Have My Baby“. Politically correct ist ein Prädikat, das T. Valentine nie lernen wollte zu buchstabieren. Wie verquer er zur PC-Community stand, beweist ein von ihm eilig verfasstes, indes nie veröffentlichtes „Wiedergutmachungs“-Sequel zu „Lucille“ mit dem Titel „Hello Dave, Are You A Sissy?“. Treuherzig oder doof? Nein, querulant.

Und doch unschuldig, vergleicht man Valentines lüsterne und listige Verfehlungen mit dem oft obszönen und selten von Humor gemilderten Geschlechterkrieg, der in aktuellen Hipreplays

Hop-Produktionen ausgetragen wird, um Geld und nur unter der Gürtellinie. Valentine konnte auch anders. „Teenage Jump“ von 1960, „Do The Do“ und „Little Lu-Lu Frog“ sind reine Tanznummern, „Massius Ray“, „Black Power“ und „Wake Up, Wake Up, Black Man“ könnten als trashige Politfunk-Stücke durchgehen, und auf „Betty Sue“ sprechen nur seine Hormone: „I love you“, dazu ein konvulsives „Ooohhhhhh!“, gekreischt in höchster sexueller Not. Ein Ton, der nicht den normalen Weg nimmt, sondern direkt aus den Lenden zu lechzen scheint.

Kult, im ursprünglichen Sinne. Also nicht: Idiotie für die Massen. Sondern: Kitzel für Insider. Und Valentines Wahnsinn hat durchaus Methode. Nick Tosches erklärt das Phänomen beredt in den Linernotes. Hey reader, are you a dummy?

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